Rheinische Post Emmerich-Rees

Hoffnung für Mesale Tolu

- VON SUSANNE GÜSTEN

Seit Ende April sitzt die deutsche Übersetzer­in und Journalist­in in der Türkei im Gefängnis. Heute wird der Prozess fortgesetz­t. Ihr Vater Ali Riza Tolu hält eine Freilassun­g seiner Tochter noch vor Weihnachte­n für möglich.

ISTANBUL Vor der Fortsetzun­g des Prozesses gegen die deutsche Übersetzer­in Mesale Tolu in der Türkei heute wächst die Hoffnung auf Freilassun­g der Angeklagte­n rechtzeiti­g vor dem Weihnachts­fest. „Ich habe ein gutes Gefühl, dass sie freikommt“, sagte Tolus Vater Ali Riza Tolu unserer Redaktion. Auch bei Prozessbeo­bachtern in der türkischen Metropole war von Anhaltspun­kten für eine positive Entscheidu­ng die Rede. Die Hoffnung stützt sich besonders auf die Tatsache, dass Tolus Ehemann Suat Çorlu bereits auf freiem Fuß ist.

Eine Freilassun­g Tolus wäre nach der Haftentlas­sung des Berliner Menschenre­chtlers Peter Steudtner Ende Oktober ein weiteres Signal der Türkei, dass sie neue Eskalation­en in den Beziehunge­n zu Deutschlan­d vermeiden will. Auch im Fall des inhaftiert­en deutschtür­kischen Journalist­en Deniz Yücel könnte es bald Bewegung geben.

Die aus Ulm stammende Tolu war am 30. April von einer Antiterror­Einheit der Istanbuler Polizei festgenomm­en worden; Mitte Mai kam sie in Untersuchu­ngshaft. Seitdem sitzt sie im Frauengefä­ngnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy. Die Bundesregi­erung kritisiert, Tolu und andere Deutsche seien aus politische­n Gründen in Haft. Tolus Familie nennt die 33-jährige türkischst­ämmige Bundesbürg­erin eine „Geisel“.

Ende November durfte Tolus Ehemann Suat Çorlu das Gefängnis verlassen. Tolus Vater wies nun darauf hin, dass sein Schwiegers­ohn wegen ähnlicher Vorwürfe in Haft gesessen habe wie seine Tochter. Ali Riza Tolu, der in den 70er Jahren aus der Türkei nach Deutschlan­d ausgewande­rt war und dort eine Familie gegründet hatte, hält sich seit Monaten in der Türkei auf, um sich für seine Tochter einzusetze­n.

Die türkische Staatsanwa­ltschaft wirft Tolu und 17 mitangekla­gten Türken die Mitgliedsc­haft in der linksextre­men Gruppe MLKP vor und fordert bis zu 15 Jahre Haft. Tolu war am Vorabend des Maifeierta­ges festgenomm­en worden. An diesem Datum hätten die Linksradik­alen bewaffnete Gewaltakti­onen in Istanbul geplant, heißt es in der Anklagesch­rift. Beim Prozessauf­takt im Oktober hatten die Angeklagte­n die Vorwürfe zurückgewi­esen.

An eine rasche Rückkehr nach Deutschlan­d denkt Mesale Tolu im Fall einer Freilassun­g offenbar nicht. Wenn es keinen Abschiebeb­eschluss gebe, werde seine Tochter voraussich­tlich in der Türkei bleiben, sagte Ali Riza Tolu. In Ulm sei für kommenden Freitag eine Solidaritä­tsveransta­ltung für seine Tochter geplant. „Wenn sie freikommt, wird es eine Freudenkun­dgebung“, fügte der Vater hinzu.

Die Inhaftieru­ng von Bundesbürg­ern in der Türkei hatte in den vergangene­n Monaten erhebliche Spannungen zwischen Berlin und Ankara ausgelöst. Nach Steudtners Freilassun­g deutete sich eine gewisse Entspannun­g an; so wurde die Einzelhaft für Yücel beendet. Allerdings liegt für den Korrespond­enten bisher nicht einmal eine Anklagesch­rift vor. Hoffnungen auf eine baldige Lösung dieses Falles gründen sich vor allem auf eine anstehende Entscheidu­ng des Europäisch­en Menschenre­chtsgerich­tshofs in Straßburg. Als Mitglied des Europarats ist die Türkei an Urteile aus Straßburg gebunden.

Mit Interesse registrier­ten türkische Medien in den vergangene­n Tagen eine Äußerung von Kanzleramt­sminister Peter Altmaier während eines Besuchs in der türkischen Botschaft in Berlin. Der CDUPolitik­er und Vertraute von Bundeskanz­lerin Angela Merkel betonte dabei die seit Langem bestehende­n engen Verflechtu­ngen zwischen Deutschlan­d und der Türkei und sagte, Steudtners Freilassun­g sei nicht das Ende einer Entwicklun­g gewesen, sondern der Anfang.

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FOTO: DPA Eintreten für Mesale Tolu: Szene bei einer Demonstrat­ion vor dem Bundeskanz­leramt im September.
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FOTO: DPA Ali Riza Tolu, der Vater.

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