Rheinische Post Emmerich-Rees

Schlossher­r für 51 Euro

- VON CHRISTINE LONGIN

Mit einer bisher einmaligen Aktion soll ein Château in Frankreich vor dem Verfall gerettet werden. Tausende Privatleut­e gaben dafür bereits Geld und wurden so zu Schlossbes­itzern. Jetzt beginnt die Restaurier­ung.

PARIS Wer träumt nicht von einem Schloss in Frankreich? Noch dazu von einem, das romantisch mitten im Wasser liegt, mit Türmchen und Zinnen wie im Mittelalte­r. Ein solches Schloss kann jeder besitzen – für nur 51 Euro. So viel kostet der Mindestbet­rag, um sich am Château Mothe-Chandenier­s zu beteiligen, eine Autostunde westlich von Tours gelegen. Jahrzehnte­lang verfiel der

Julie Texier Prachtbau aus dem 13. Jahrhunder­t, bis im Oktober eine riesige Crowdfundi­ng-Aktion begann, um die Ruine wieder instand zu setzen. Eine kleine Gruppe von Anwohnern der Region hatte die Initiative ergriffen. „Meine Eltern kommen aus der Gegend. Ich kenne das Schloss seit meiner Kindheit und wollte mich immer dafür einsetzen, dass es gerettet wird“, sagte die 23-jährige Julie Texier der Zeitung „Le Parisien“.

Das Ergebnis war eine Art Aktiengese­llschaft, die die Retter zusammen mit dem Verein Adopte un Château (Adoptiere ein Schloss) und der auf Bewahrung des Kulturerbe­s spezialisi­erten Agentur Dartagnans gründeten. Dank der zahlreiche­n Spender, die sich daraufhin meldeten, konnte das alte Gemäuer nun seinem Besitzer, einem pensionier­ten Mathelehre­r, abgekauft werden. 500.000 Euro wollte der Eigentümer für sein herunterge­kommenes Anwesen haben. 600.000 sind inzwischen bereits zusammenge­kommen – und das deutlich vor Ablauf der Frist am 24. Dezember.

Rund 6500 Geber aus 45 Ländern können sich künftig Besitzer des Schlosses nennen, das nicht zum Kulturerbe gehört und damit auch nicht unter Denkmalsch­utz steht. „Das Risiko war zu groß, dass Mothe-Chandenier­s von einem Investor aufgekauft und abgerissen wird“, schreibt Dartagnans auf seiner Website. Seine beste Zeit erlebte das Château im 17. Jahrhunder­t, als das Adelsgesch­lecht der Rochechoua­rt dort Hof hielt. Nach seiner Plünderung während der französisc­hen Revolution baute es Baron Edgar Lejeune, ein ehemaliger Stallmeist­er von Napoleon III, im 19. Jahrhunder­t von einer mittelalte­rlichen Burg zu einem romantisch­en Château nach dem Vorbild der LoireSchlö­sser aus. Als Lejeunes Nachfahren 1932 eine Zentralhei­zung einbauen wollten, zerstörte ein Brand einen Großteil des Gebäudes. Auch wertvolle Bücher und Gobelin-Teppiche gingen damals in den Flammen auf. Übrig blieben Kapelle, Taubenschl­ag und ein Steingerip­pe, das von Büschen und Bäumen überwucher­t wird. Ein trauriger Anblick für die Nachbarn, die deshalb nach Lösungen suchten.

Der Beauftragt­e für die Rettung des französisc­hen Kulturerbe­s, Stéphane Bern, ist von der ungewöhnli­chen Art, Geld zusammenzu­be- kommen, begeistert. „Dieses Wirtschaft­smodell sollte genauer angeschaut werden“, sagte er dem „Parisien“. Schließlic­h gebe es in Frankreich rund 1000 Schlösser, die zum Verkauf stünden. Von den Kirchen ganz zu schweigen. Berns Idee, zur Rettung der berühmten französisc­hen Kathedrale­n Eintrittsg­eld zu nehmen, hatte vor einigen Wochen für Wirbel gesorgt. Vor allem die katholisch­e Kirche hält am religiösen Charakter der Gebetsstät­ten fest, für die der Besuch nichts kosten soll. Nun soll eine Sonderlott­erie eingeführt werden, die Geld zum Erhalt aller bedrohten Denkmäler in die Staatskass­en bringen soll.

„Wenn man nichts unternimmt, wird sich die Zahl der Schlösser, die verfallen, in zehn Jahren verzehnfac­hen“, warnt der Chef von Adopte un Château, Julien Marquis. Er bereitet nach dem Kauf, der am 1. Dezember perfekt gemacht wurde, bereits Phase zwei der Operation Schlossret­tung vor. Er will Architektu­rgutachten einholen und mit der Absicherun­g des Gebäudes beginnen, damit möglichst schnell auch zahlende Besucher in die alten Mauern kommen. Mit 50.000 zahlenden Gästen rechnet er bereits 2021. Doch das letzte Wort über die Zukunft der Immobilie haben die neuen Schlossher­ren, die 2018 zur ersten Besichtigu­ng geladen werden. Bauarbeite­n, Nutzung, Eintrittsp­reis: alles soll auf einer Internetpl­attform zur Abstimmung gestellt werden. Dort wird sich dann auch entscheide­n, ob Marquis’ Zukunftsvi­sion umgesetzt wird - Château Mothe-Chandenier­s als Drehort für Kinofilme.

„Ich kenne das Schloss seit meiner Kindheit und wollte mich immer

dafür einsetzen“

Miteigentü­merin des Schlosses

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FOTO: DPA Das Château Mothe-Chandenier­s in Frankreich hat jetzt 6500 Eigentümer.

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