Rheinische Post Emmerich-Rees

HEIDE KELLER Die „Deutschlan­d“war wie ein Zuhause

- JÖRG ISRINGHAUS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Das „Traumschif­f “bescherte der Schauspiel­erin die längste TV-Serien-Rolle. Nach 36 Jahren geht Chefhostes­s Beatrice nun an Neujahr von Bord. Ein Gespräch über sentimenta­le Momente, Luxus auf See und eine Zukunft an Land.

BONN „Willkommen an Bord“ist der Satz, der ihr Leben bestimmte – als Chefhostes­s Beatrice auf dem ZDF„Traumschif­f“begrüßte Heide Keller seit 1981 die Passagiere. In der Silvesterf­olge sagt die 76-Jährige den Satz zum letzten Mal, sie hat die Serie verlassen. Verzagt wirkt die Schauspiel­erin deshalb aber nicht. Beschleich­t Sie ein wenig Wehmut vor der Ausstrahlu­ng der letzten Folge, in der Sie von Bord gehen? HEIDE KELLER Nein, vor jeder Sendung habe ich nur Schiss. Weil ich dann dem Publikum vorgeworfe­n werde. Ich habe die DVDs hier, könnte es jederzeit anschauen, aber ich habe ja noch einige Auftritte und Gespräche vor mir. Und da ich gelegentli­ch mit mir nicht zufrieden bin und mich darüber aufrege, habe ich Angst, dass ich das auch sage. Meistens ist es aber so, wenn ich es zwei-, dreimal gesehen habe, finde ich es gar nicht mehr so schlimm. Beim ersten Mal bin ich immer entsetzt. Aber wenn jetzt der Tag ansteht... KELLER ... dann gucke ich es wie alle Leute. Das ist so ein Ritual. Dann rufen Freunde an – manche zu früh, so dass ich noch gar nicht abhebe, weil ich den Schluss ja sehen will. Generell ist es aber ein Freundscha­fts-Ritual – der und der muss anrufen, sonst bin ich unglücklic­h. Das ist aber diesmal schon ein besonderer Moment? KELLER Ich habe das ja noch nie erlebt, weiß also nicht, ob es ein besonderer Moment ist. Vielleicht sage ich, das hast du gut gemacht so. Und nun kann das Leben weitergehe­n. Wahrschein­lich wird es mich schon rühren – nur kann ich mir das jetzt noch nicht vorstellen. Alle, die es schon gesehen haben, sagen, sie wären gerührt. Bei der Arbeit daran war ich überhaupt nicht sentimenta­l. Wie war denn der letzte Drehtag? KELLER Am letzten Drehtag hatte ich nur einen Satz auf der Brücke zu sprechen: Käpt’n, Frau Meier möchte Sie sprechen. Das war mein letzter Satz. Und dafür war ich sehr dankbar. Das war meine letzte Szene, aber die ist aus einer Folge, die Weihnachte­n gesendet wird. So war mein wirklicher Abschied nicht mein letzter Drehtag. Schon während der Szene war ein Rummel auf der Brücke. Und danach kamen dann wirklich alle, alle, alle aus der Produktion, auch der echte Kapitän und die Offiziere, und haben eine Viertelstu­nde lang geklatscht. Da kriegt man ja schon eine Gänsehaut vom Zuhören. KELLER Da war ich richtig fertig. Ich wollte da immer weggehen, aber die haben nicht aufgehört und mich zurückgeho­lt. Ich dachte, ich kann jetzt nicht mehr, ich will doch nicht heulen. Ich hab’s aber dann doch getan. Nachher gab’s noch ein gro- ßes Fest für mich. Dabei haben sich als Gag alle Männer des Teams als Frauen verkleidet, und ich musste entscheide­n, wer meine Nachfolger­in wird. Ich habe geschrien vor Lachen. Als ich in Buenos Aires von Bord gegangen bin, waren wieder alle da: Da habe ich auch geheult. Ich will noch einmal etwas zurückgehe­n – genauer gesagt, 36 Jahre. 1981 ging es los mit dem „Traumschif­f“. Haben Sie jemals gedacht, dass das so ein Dauerbrenn­er wird? KELLER Ach was, überhaupt nicht. Wolfgang Rademann hatte mich auf der Bühne gesehen, in Berlin auf dem Kudamm. Es gebe drei durchgehen­de Rollen, sagte er bei einem Treffen zu mir, dafür wollte er Unbekannte haben, und sonst nur allererste Sahne. Sechs Folgen waren geplant. Hatten Sie eine Vorstellun­g davon, wie das alles abläuft? KELLER Was sich da abspielen würde, habe ich nicht geahnt. Wir haben auf der „Vistafjord“angefangen zu drehen, da gab es noch eine Tischordnu­ng. Ich saß an einem Tisch mit Manfred Krug und Ivan Desny – Kontrastpr­ogramm. Aber die haben sich richtig gut verstanden. Ich habe festgestel­lt, dass die großen Namen diese oft zu Recht tragen, weil meistens große Menschen dahinter stehen. Leute, die sich zu wichtig nehmen, gab’s beim Traumschif­f nicht. Sonst wäre derjenige innerhalb von 24 Stunden von Rademann so in die Ecke gedrängt worden, dass er den Mund nicht mehr aufgemacht hätte. Rademann wusste immer genau, was los war. Selbst wenn er geschlafen hatte, wusste er am nächsten Morgen über alles Bescheid. Hatten Sie denn auch mal Ambitionen, von Bord zu gehen? KELLER Ja, das gab’s mal. Rademann hatte zwar gesagt, einen Preis kriegen sie für die Rolle nicht, aber Sie kommen auf die Titelbilde­r. War ja auch so. Aber irgendwann habe ich gedacht, die Rolle wird nicht besser, und du bist nicht glücklich. Es gab auch Regisseure, mit denen ich nicht nur zufrieden war. Immer nur übers Schiff laufen, das ist doch Zeitversch­wendung, habe ich gedacht. Aber dann habe ich angefangen, an der Rolle zu basteln. Meine liebste Beschreibu­ng der Rolle war die von Siegfried Rauch: Diese Frau bringt mich noch um den Verstand: Muss die eigentlich immer das letzte Wort haben? Wer ist hier eigentlich der Kapitän? Hatten Sie ein Lieblingss­chiff? KELLER Ja. Die „Vistafjord“war groß, die „Astor“war auch ein schönes Schiff. Dann gab’s die „Berlin“, die war gemütlich und da haben wir eine schöne Zeit gehabt. Die „Deutschlan­d“aber war für mich wie ein Zuhause, und ich hatte immer eine sehr schöne Kabine. Das habe ich schon als Luxus empfunden. Dass ich das erleben durfte, dass ich diese Reisen machen konnte, das war schon ein großes Geschenk. Arbeit aber bleibt Arbeit. Sind Sie mal seekrank geworden? KELLER Gottseidan­k nicht. Das muss schrecklic­h sein, und ich weiß nicht, ob ich dann so viel gereist wäre. Ist Ihr Fernweh jetzt ein für allemal befriedigt? KELLER Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass mir die langen Flüge mehr und mehr zugesetzt haben. Es gibt aber manche Orte, da würde ich gerne nochmal hin, auch länger. Aber ein Wochenende auf Bora Bora ist eben nicht so leicht zu meistern (lacht). Gibt’s auch Orte, wo Sie nie mehr hin wollen? KELLER Macao, diese Insel vor Hongkong. Das soll wie Las Vegas sein, ist es aber nicht. Da will ich nie wieder hin. Sind Sie überhaupt der Urlaubstyp Kreuzfahre­r? KELLER Die schönsten Urlaube waren für mich, wenn ich in meinem Haus mit meinen Händen arbeiten konnte. Wenn ich heute Urlaub mache, fahre ich gerne nach Holland ans Meer oder nach Italien. Im Januar kann Venedig wundervoll sein. Wenn ich auf einem Schiff von der Größe der „Deutschlan­d“reisen könnte, wäre auch eine Kreuzfahrt vorstellba­r. Aber die sind ja alle so groß geworden. Generell bin ich gerne auf einem Schiff. Am allerliebs­ten sind mir die Tage, an denen rundherum nur Wasser ist. Hatten Sie auch einen Lieblings-TV-Kapitän?

Das weiß ich nicht. Ich habe mich ja nie da beworben, sondern mir nur die eine oder andere Geschichte ausgedacht. Und da hat der Rademann gesagt, schreib doch mal, und da habe ich das getan. Ich würde gerne Drehbücher schreiben, ja. Aber nicht unbedingt fürs „Traumschif­f“. Das ist für mich schwerer als für andere, weil ich genau weiß, was geht und was nicht. Wie sieht es den überhaupt aus mit der Nach-„Traumschif­f“-Zeit? Haben Sie schon weitere Projekte? KELLER Nach langem Hin und Her habe ich begonnen, ein Buch zu schreiben. Eigentlich sollte es jetzt schon erscheinen, man wollte mir dazu einen Ghostwrite­r zur Seite stellen. Da habe ich gesagt: Ghostwrite­r? Ich? Das überlebt der nicht. Der Traum meines Lebens ist, schreiben zu können. Und wenn ich die Möglichkei­t habe, ein Buch zu schreiben, dann will ich das selbst machen. Ich schreibe auf einer alten Schreibmas­chine, über Begegnunge­n aus meinem Leben. Der Verlag ist bis jetzt ganz angetan. Den Titel darf ich aber noch nicht verraten.

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FOTO: DPA Schauspiel­erin Heide Keller ist von Anfang an mit dem ZDF-„Traumschif­f“in See gestochen. Fünf verschiede­ne Schiffe hat sie seit 1981 erlebt.
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FOTO: ZDF So fing es an: Heide Keller in ihrer Paraderoll­e als Chefhostes­s Beatrice.

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