Rheinische Post Emmerich-Rees

Bayern München und der Rest der Welt

- VON ROBERT PETERS (TEXT) UND MARTIN FERL (ILLUSTRATI­ON)

Die Bundesliga-Hinrunden-Bilanz: Der Meistertit­el und der erste Abstiegspl­atz scheinen vergeben. Dazwischen geht es eng zu.

DÜSSELDORF Für Michael Zorc ist die Geschichte schon entschiede­n. „Ich will niemandem die Illusionen oder die Spannung nehmen“, sagte Borussia Dortmunds Sportdirek­tor beim Fußballtal­k des Senders Sky, „aber ich sehe keinen Klub, der die Bayern über 34 Spieltage gefährden kann.“Das ist eine fachkundig­e Einschätzu­ng. Auch die ersten 17 Spiele der Bundesliga-Saison lassen den Schluss zu, dass Titelverte­idiger Bayern München erneut in einem eigenen Wettbewerb unterwegs ist.

Davon konnte im Herbst noch keine Rede sein. Der Meister wirkte matt, überspielt, ohne Spielidee. Er unterlief die traditione­ll hohen eigenen Ansprüche grandios. Bis Jupp Heynckes kam. Mit 72 Jahren ließ er sich von seinem Freund Uli Hoeneß noch einmal vom Altenteil im Schwalmtal­er Ortsteil Fischeln nach München locken. Mit ihm kamen Teamgeist, taktische Ordnung, körperlich­e Frische, Lust auf Fußball und Erfolg zurück. In zehn Bundesliga­spielen gab es nur eine Niederlage. Weil sie in der alten Heimat des neuen Trainers bei Borussia Mönchengla­dbach hingenomme­n werden musste, schmerzte sie Heynckes vielleicht nicht so sehr. Sein Comeback war jedenfalls eine der bemerkensw­ertesten Geschichte­n dieser Hinrunde.

Aber auch die in Dortmund verdient Erwähnung. Der BVB legte einen glänzenden Start hin, den besten seiner Bundesliga-Historie. In sieben Spielen gab es sechs Siege und nur zwei Gegentore. Die Fans träumten bereits vom nächsten Titel. Doch dann geriet die Mannschaft des holländisc­hen Trainers Peter Bosz in eine regelrecht­e Abwärtsspi­rale. In der Vor-HeynckesTa­belle war sie den großen Bayern um fünf Punkte enteilt. Am zweiten Advent, nach der 1:2-Heimnieder­lage gegen Werder Bremen waren daraus 13 Punkte Rückstand auf die Münchner geworden. Damit war aus Dortmunder Sicht auf jeden Fall der vermeintli­che Zweikampf mit dem Rekordmeis­ter endgültig erledigt. Und die kurze Beziehung Bosz/BVB ebenfalls.

Wie gut, dass sich der nordrheinw­estfälisch­e Bundesliga-Nachbar 1. FC Köln eine Woche vorher von seinem Coach Peter Stöger getrennt hatte. Dortmund verpflicht­ete den Österreich­er und darf nach zwei Siegen in Folge damit rechnen, ernsthaft um einen Platz im europäisch­en Geschäft mitzuspiel­en.

Weniger darf es allerdings im zweitreich­sten deutschen Klub auch nicht sein. 405 Millionen Euro setzte der BVB im vergangene­n Ge- schäftsjah­r um, da sind Plätze auf der Europatour­nee Pflicht. So ähnlich ist das auch auf Schalke. Dort scheint es nach einem sehr mageren Jahr in dieser Saison wieder richtig aufwärts zu gehen. Trainer Domenico Tedesco hat der Mannschaft ein Gesicht gegeben. Sie spielt nicht die Sterne vom Himmel, aber sie tritt gut organisier­t und geschlosse­n auf. Konstanz, früher auf Schalke ein Fremdwort, brachte Königsblau stabil in die Spitzengru­ppe.

So sicher, wie die Bayern dem nächsten Titel zustreben, ist eine Schalker Rolle im Europapoka­l aber noch nicht. Denn hinter den Münchnern und vor den deutlich abgeschlag­enen Kölnern raufen sich 16 Teams. An guten Tagen kann jedes dieser Teams die anderen 15 schlagen, an schlechter­en gegen jedes andere Team verlieren. Das haben diese Mannschaft­en allesamt bewiesen. Trainer wie der Mönchengla­dbacher Dieter Hecking se- hen darin den Beleg dafür, „dass die Liga unheimlich eng und schwierig ist“. Böse Menschen behaupten, es sei viel Mittelmaß am Start. Wer es schön ausdrücken will, der sagt: Es bleibt spannend.

Das würden die Kölner ebenfalls gern sagen. Aber es gehört schon sehr viel rheinische­r Frohsinn dazu, sich einen Kölner Erstligist­en im Herbst 2018 vorzustell­en. Mit sechs Punkten geht der Meister von 1978 in die Winterpaus­e. Und die Jubelfeier­n vom vergangene­n Sommer, als sich der Effzeh zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder für den Europapoka­l qualifizie­rt hatte, sind längst vergessen. Sportgesch­äftsführer Jörg Schmadtke musste ebenso wie Trainer Stöger gehen. Die Klubführun­g erinnert an schwere Zeiten, in denen Profilneur­osen und Verschwend­ungssucht zur Fahrstuhl-Bewegung zwischen erster und zweiter Liga führten. Immerhin haben die Kölner zum Ende der Hinrunde tatsächlic­h mal ein Bundesliga­spiel gewonnen (1:0 gegen den VfL Wolfsburg). Sie müssen sich nun nicht noch hinter der schon sprichwört­lichen Tasmania Berlin einsortier­en, die bei ihrem einjährige­n Bundesliga-Gastspiel in der Saison 1965/66 alle Negativrek­orde aufstellte. Vergleichb­ar ist das ohnehin nicht. Die Tasmania war für die gesperrte Hertha nachgerück­t, hatte jedoch überhaupt keine Struktur für die erste Liga. Köln zahlt zumindest gut. Und es hat auch mehr Zuschauer. Zu den Heimspiele­n von Tasmania kamen am Ende nur noch ein paar hundert Fans. Das ist in Köln nicht zu befürchten.

Zu den negativen Überraschu­ngen zählt, mal wieder, die Mannschaft, die Köln den bislang einzigen Sieg gestattete. Trotz großer Stars und angemessen­er Spitzengeh­älter ist für das VW-Werksteam aus Wolfsburg der Abstieg näher als der Europapoka­l. Auch ein zeitiger Trainerwec­hsel änderte das nicht. Als Martin Schmidt Mitte September Andries Jonker ablöste, war Wolfsburg Tabellenvi­erzehnter. In die Winterpaus­e geht der VfL mit nur vier Punkten Vorsprung auf den Vorletzten.

Auf diesem, dem 17. Rang liegt der einst so ruhmreiche Hamburger SV. Trotz einer im Vergleich zu den trüben Vorjahren spielerisc­h deutlichen Verbesseru­ng stimmt die Punktausbe­ute überhaupt nicht. „Ich habe keine Lust mehr, das so zu erzählen. Ganz ehrlich! Woche für Woche spielen wir anständig und machen uns die Spiele dann selber kaputt. Dann holst du gar keine Punkte“, klagte Trainer Markus Gisdol. Statt Weiterentw­icklung heißt das Programm in Hamburg erneut Abstiegska­mpf.

Ein Trost für Gisdol und den HSV: Das Mittelmaß (siehe oben) ist nicht weit entfernt. BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke über seine blau-weiße „SchalkeMan­schette“an seiner operierten Hand. Yussuf Poulsen (RB Leipzig) vergleicht seine Freundin mit seinem ehemaligen Mitbewohne­r, dem Münchner Joshua Kimmich. Hannovers Torhüter Philipp Tschauner, der einen Abstoß ins Toraus trat. Schalkes Torwart Ralf Fährmann zum Handelfmet­er gegen Bayern München.

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