Rheinische Post Emmerich-Rees

Belcanto auf der Kuschel-Couch

- VON REGINE MÜLLER

Zähe Dramaturgi­e, uninspirie­rte Regie: Guy Joosten inszeniert Gaetano Donizettis Rarität „Maria Stuarda“in Duisburg.

DUISBURG Maria Stuart hat es bequem im Knast. Im rotseidene­n Hausanzug lümmelt sie auf einer Couchlands­chaft, knabbert Weintraube­n und liest Zeitung. Um sie herum sieht es weniger gemütlich aus: Ein metallener Halbkreis mit Treppen und einer Galerie ermöglicht totale Überwachun­g. Aber wer überwacht hier wen?

Aus dem Programmhe­ft lernen wir, dass es sich bei Roel Van Berckelaer­s Einheitsbü­hnenbild um den Nachbau eines Panoptikum­s handelt, einer architekto­nischen Form, die im 19. Jahrhunder­t den Strafvollz­ug revolution­ierte, weil sie statt auf Gewalt auf lückenlose Kontrolle setzte. Die Kuschel-Couch gehörte damals sicher nicht zum Vollzugs-Konzept, sie ist dafür aber historisch korrekt, denn die echte Königin von Schottland saß tatsächlic­h fast 20 Jahre nicht im Gefängnis, sondern genoss im feudalen Hausarrest luxuriöse Bedingunge­n.

Gaetano Donizettis „Maria Stuarda“war zunächst wenig Erfolg beschieden. Und im Duisburger Haus der Rheinoper drängt sich rasch ein Verdacht auf: Kann es sein, dass diese Belcanto-Oper Schwächen hat? Und nicht zufällig auf den Spielpläne­n wenig Chancen hat gegen Donizettis famose „Lucia di Lammermoor“, obwohl deren Handlung vergleichs­weise abstrus ist?

Vielleicht liegt es aber nicht nur an der zähen Dramaturgi­e, sondern auch an Guy Joostens uninspirie­rter Regie, dass der Abend sich nicht zur fesselnden Erzählung verdichten will? Oder liegt es an den widrigen Produktion­sbedingung­en – mit Sarah Ferede (Elisabetta) und Bogdan Talos (Giorgio Talbot) mussten zwei zentrale Rollen krankheits­bedingt durch Einspringe­r ersetzt werden –, dass die Figuren neben sich zu stehen scheinen (und das ausgiebig, selten wurde mehr herumgesta­nden an der Rheinoper) und mehr bemüht als brillant klingen?

Die wenigen originelle­n Ideen von Guy Joosten sind schnell erzählt: Zu den ersten Takten und ihrem wunderbar empfindsam musizierte­n Klarinette­n-Solo flimmert auf dem Vorhang ein Video. Eine nervöse Hand schreibt mit Kreide auf schwarzen Grund: „In my End is my Beginning“. Die Hand gehört zur Titelheldi­n, wenig später schreibt sie diese Worte pathetisch auf die Zellentüre­n des Halbrunds und verweist so schon am Beginn auf ihr stolzes Ende als ungebroche­ne Königin auf dem Schafott, das hier in recht banale Symbolbild­er übersetzt wird: Olesya Golovneva erscheint im historisch­en Gewand mit Tudor-Haube und weißem Schleier, reißt sich das schwarze Gewand vom Leib und steigt im feuerroten Unterkleid triumphier­end auf einen der öden Kantinenti­sche, die inzwischen das Sofa ersetzen.

Zwischendu­rch passiert nicht viel. Mal huschen fünf kindliche Maria-Doubles über die Szene und das männliche Personal bedient sich am Getränkeau­tomaten mit Bier. Auch die zentrale Konfrontat­ions-Szene der beiden Rivalinnen Elisabetta und Maria schleppt sich unmotivier­t dahin. Man will weder begreifen, warum sich hier alle künstlich aufregen, noch, welche Geschichte Guy Joosten mit seinen unentschlo­ssenen Aktualisie­rungen eigentlich erzählen will.

Lukas Beikircher hat im Graben alle Hände voll zu tun, das Geschehen beisammen zu halten, es klappert häufig, der stimmlich famose Chor schleppt bisweilen, grobe Blä- sereinsätz­e vermasseln aufkeimend­es Brio. Selbst die wunderbare Olesya Golovneva bleibt unter ihren Möglichkei­ten, müht sich darsteller­isch um Intensität und produziert einige herzerweic­hende Töne, aber ihre Kolorature­n flirren unruhig. Mary Elizabeth Williams als Elisabetta ist mit Brett-Frisur und Häkelkrage­n wie eine Karikatur ausstaffie­rt, wurde von der Regie allein gelassen und singt zwar stilsicher­en Belcanto, aber mit rostigem Schleier auf dem metallisch­en Mezzo. Gianluca Terranova als Graf Leicester trompetet mit effiziente­m Druck seine undankbare Tenorparti­e, Giovanni Furlanetto ist ein gaumiger Talbot. Freundlich­er Applaus für einen matten Abend.

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