Rheinische Post Emmerich-Rees

Ärzte wollen Aufnahme von Notfällen verbessern

- VON EVA QUADBECK UND THOMAS REISENER

Die Notfallpra­xen und Notaufnahm­en der Krankenhäu­ser sind überlastet. NRW-Gesundheit­sminister Laumann will die Versorgung reformiere­n. Ärztepräsi­dent Montgomery fordert mehr Geld.

BERLIN/DÜSSELDORF Ärztepräsi­dent Frank Ulrich Montgomery hat für den Fall einer Neuauflage der großen Koalition an Union und SPD appelliert, mehr Geld für die Notfallver­sorgung von Patienten bereitzust­ellen. „Vorneweg steht das Problem Notfallver­sorgung. Das müssen wir im Sinne der Menschen lösen“, sagte der Ärztepräsi­dent unserer Redaktion. „Wenn eine ausreichen­de Finanzieru­ng für die Notfallver­sorgung zur Verfügung steht, dann wird es auch gelingen, ein gemeinsame­s Konzept von niedergela­ssenen Ärzten und Kliniken flächendec­kend aufzubauen“, sagte Montgomery. Für die Notfallver­sorgung müsse es eine Finanzieru­ng außerhalb der Budgetieru­ng der gesetzlich­en Krankenkas­sen geben.

Derzeit läuft die Notfallver­sorgung in vielen Regionen für die Patienten schlecht. Für Aufsehen sorgte vor wenigen Tagen ein Fall in Düsseldorf. Ein siebenjähr­iger Junge starb, nachdem er und seine begleitend­e Mutter von einer Notfallpra­xis mehrfach mit Medikament­en wieder nach Hause geschickt worden sein sollen. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt.

In den Krankenhäu­sern kommt es oft zu sehr langen Wartezeite­n, weil die Versichert­en auch mit weniger schlimmen Erkrankung­en Notaufnahm­en aufsuchen. Den niedergela­ssenen Ärzten wiederum gelingt es bislang allein nicht, eine eigene ausreichen­de Notfallver­sorgung aufzubauen, die auch angenommen wird. In den vergangene­n Jahren haben die Bürger die Notaufnahm­en in Kliniken außerhalb der normalen Praxis-Sprechzeit­en sogar deutlich öfter in Anspruch genommen.

Aber „auch während der Sprechstun­denzeiten suchen die Bürgerinne­n und Bürger vermehrt die Notaufnahm­en der Krankenhäu­ser auf“, hat die Krankenhau­sgesellsch­aft NRW ( KGNW) festgestel­lt. Nach einer Umfrage des Berliner Krankenhau­ses Charité suchen 90 Prozent der Patienten die Notfallste­lle einer Klinik auf, weil sie sich fälschlich als „dringliche­n Notfall“ansehen. Drei Viertel gaben zudem an, Schmerzen zu haben. Über die Hälfte der Befragten hatte zuvor versucht, einen Termin in einer Arztpraxis zu bekommen. Ebenfalls mehr als der Hälfte war gar nicht bekannt, dass auch niedergela­ssene Ärzte einen Notdienst haben.

„Wir brauchen bei der Notfallver­sorgung eine enge Abstimmung zwischen der ambulanten ärztlichen Versorgung und der Notfallver­sorgung der Krankenhäu­ser“, forderte NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU). Darum sollten die Portalprax­en, die von den Krankenhäu­sern und den Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen ge- meinsam betrieben werden, zur Regel werden, erklärte er. Vor Ort könne dann zügig entschiede­n werden, ob ein Patient in der Notaufnahm­e des Krankenhau­ses oder von einem niedergela­ssenen Arzt behandelt werden soll. „Portalprax­en werden die Qualität der Notfallver­sorgung verbessern“, versprach Gesundheit­sminister Laumann.

Solche Portalprax­en sieht auch Ärztepräsi­dent Montgomery als gute Lösung. Allerdings können sich bislang nur in wenigen Regionen Praxis-Mediziner und Krankenhäu­ser auf gemeinsame Konzepte einigen. In dem Streit geht es vor allem um die Honorierun­g.

Montgomery will die künftige Finanzieru­ng der Notfallver­sorgung durch höhere Zuschüsse an die Krankenkas­sen sichern. „Die nächste Regierung muss nur dafür sorgen, dass das Geld der Leistung folgt, also dorthin fließt, wo es hingehört“, sagte er und verwies darauf, dass für Hartz-IV-Empfänger zu niedrige staatliche Zuschüsse an die Krankenkas­sen gezahlt würden. Insgesamt gehe es da um fast neun Milliarden Euro pro Jahr.

Die Behandlung von Notfällen ist für das Gesundheit­ssystem ein dicker Brocken. Nach Angaben der KGNW haben die Kliniken bundesweit nach neuesten Zahlen (2016) fast zwölf Millionen Notfälle ambulant behandelt. Die Krankenhäu­ser beklagen, dass die Notfallver­sorgung für sie ein Minus-Geschäft sei. 2016 fehlte eine Milliarde Euro. 96 Prozent der Kliniken geben an, dass die Behandlung von Notfällen bei ihnen nicht kostendeck­end gelinge. Abgesehen von tragischen Einzelfäll­en wie in Düsseldorf scheint die Qualität zu stimmen: Nach Angaben des Medizinisc­hen Dienstes der Krankenkas­sen wurden 2016 bundesweit nach rund 20 Millionen Behandlung­en nur 397 Vorwürfe wegen angeblich fehlerhaft­er Behandlung erhoben. In 162 Fällen wurden Fehler festgestel­lt.

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