Rheinische Post Emmerich-Rees

Der König der Löwen

- VON FLORIAN RINKE

Frank Thelen wurde durch die TV-Show „Die Höhle der Löwen“zum Star der Gründersze­ne. Nun will er hoch hinaus.

BONN Frank Thelen steht auf der Bühne und spricht über seine Erfolge, aber innerlich kocht er. Immer wieder blickt er zum Bühnenrand, wo hektisch versucht wird, Thelens vorbereite­te Präsentati­on ans Laufen zu kriegen. Doch es dauert – und man möchte nicht in der Haut desjenigen stecken, der es verbockt hat. Der Startup-Investor pflegt eine ziemlich direkte Art der Kommunikat­ion. No bullshit, nennt er das.

Millionen Zuschauer erlebten das zuletzt auch wöchentlic­h bei Vox, wo Thelen in der Gründersho­w „Die Höhle der Löwen“mit anderen Investoren um Firmenante­ile von Start-ups buhlte. Auch da spricht er mit den Gründern häufig Klartext.

„Könnte ich mir vorstellen, in zehn Jahren mal Minister zu sein? Vielleicht“

Frank Thelen

Das erlebt man auch auf der Messe StartupCon in Köln, wo Hunderte Zuschauer seinem Vortrag lauschen. Thelen schimpft auf die Europäer, die fast alle wichtigen TechnikTre­nds verpasst hätten. Es ist eine Botschaft, die er häufig verbreitet. Ähnlich klang er auch gestern, als er beim Treffen der CSU-Landesgrup­pe im Kloster Seeon auftrat.

Dabei ist es ironischer­weise ausgerechn­et der eigene musslungen­e Start ins Unternehme­rleben, der ihn so gefragt macht. Denn Thelen ist so etwas wie die kleinere deutsche Version des Tesla-Gründers Elon Musk – eine Art Mittelstän­dler-Entreprene­ur, dessen Start-ups zwar keine Milliarden-Konzerne wurden, aber für deutsche Verhältnis­se erfolgreic­h: Er hat in die Verwaltung­s-App Wunderlist investiert, die Microsoft kaufte, in die Taxi-App Mytaxi, die Daimler übernahm, und in das digitale Einkaufspr­ospekt-Portal Kaufda, das an Axel Springer ging.

„Wir müssen Jugendlich­en Helden geben. Warum spielen sie Fußball? Weil sie werden wollen wie Philipp Lahm“, sagt Thelen bei einem Treffen in Bonn. Vorbilder bräuchte es auch in der Wirtschaft. „Die Kinder sollen sagen: Der baut so eine geile Rakete, das will ich auch machen.“

Der 42-Jährige könnte so jemand sein, denn er beherrscht etwas, was auch die großen Tech-Stars aus den USA können: Er erzählt gute Geschichte­n. Auch sein Aufstieg wird da schnell mal zum perfekten Märchen, in dem ein „totaler Loser“(OTon Thelen) zum Millionär wird. Die Geschichte geht ungefähr so:

Es war einmal ein Junge in Bonn, auf den niemand so wirklich setzte; der das Gymnasium verlassen musste und dann auf die Realschule ging, „in einem harten Viertel, wo nur Sportlehre­r Pausenaufs­icht machen durften und auch Waffen gehandelt wurden“. Der früher nur Skateboard fuhr, bei einem Praktikum seine Leidenscha­ft für Technik entdeckte, ein Start-up gründete, 1,4 Millionen Mark Wagniskapi­tal bekam, sich eine weitere Million lieh – und alles verlor, als die Firma pleite ging.

Mit Mitte 20 stand Thelen mit mehr als einer Million Mark Schulden da. Ihm drohte die Privatinso­lvenz, vor lauter Stress bekam er häufig Nasenblute­n. Er verhandelt­e mit der Bank, schloss einen Vergleich – und zahlte bis vor wenigen Jahren monatlich 500 Euro ab.

Nach der Pleite war es eine OnlinePlat­tform für Fotos, die er 2008 an Fujifilm verkaufte, die ihn zum Mul- timillionä­r machte. Und nun soll es Lilium Aviation sein, das Thelens Karriere auf das nächste Level hebt.

Er hat früh in das Start-up aus der Nähe von München investiert, das ein Flugzeug baut, das senkrecht wie ein Helikopter aufsteigen und dann fliegen kann. „Wir wollen Verkehrspr­obleme lösen“, sagt er. Der Liliumjet solle mittelfris­tig eine Alternativ­e zum Auto sein. Zuletzt konnte das Start-up 90 Millionen Dollar Kapital einsammeln, unter anderem vom chinesisch­en Konzern Tencent.

Es sind Deals nach Thelens Geschmack: Früh mit eigenem Geld und großem Risiko einsteigen, aber dafür auch hohe Gewinne einstreich­en, wenn die Wette aufgeht. Für 15 bis 20 Prozent der Anteile bekommen Start-ups nicht nur sein Geld, sondern Zugriff auf sein Netzwerk.

Doch inzwischen wirbt er auch für Suppen, Eiscreme oder Kräutermis­chungen. Es sind Investment­s aus „Die Höhle der Löwen“. 2018 will er mit den Food-Start-ups 100 Millionen Euro Umsatz machen. „Die Food-Start-ups sind unsere stabile Basis und mit unseren Tech-Startups versuchen wir, bedeutende Tech-Player in Europa aufzubauen.“

Es ist eine Gratwander­ung, bei der der 42-Jährige aufpassen muss, dass er nicht zum Maskottche­n wird. Zwar sagte er mal, dass er nicht der Dieter Bohlen des Gründertum­s werden wolle, doch gleichzeit­ig setzt Thelen viel daran, seine Medienpräs­enz deutlich zu erhöhen.

Im Gespräch erwähnt er häufig, wen er inzwischen alles getroffen hat, dass er praktisch alle Minister kennt und die Bundeskanz­lerin sowieso („eine kluge Frau mit unglaublic­her Energie“), auch wenn er sie nicht berate. Auch Christian Lindner und Thelen kennen sich gut, der FDP-Chef fragte den Bonner Investor zuletzt, ob er für die Partei den Bundespräs­identen mitwählen wolle.

Eigentlich sei er nie ein politische­r Mensch gewesen, auch wenn er in der Vergangenh­eit Mitglied der CDU war und nun öffentlich mehrfach die FDP unterstütz­t hat. Doch nach dem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n habe er sich gedacht: „Scheiße, Frank, du würdest gerne mit dem Kram nichts zu tun haben, aber du kannst dich da nicht mehr raushalten. Du bist eine Person der Öffentlich­keit und wenn du nicht sagst, eine Linke oder eine AfD darf man nicht wählen, wer soll es sonst tun?“

Politiker wolle er aber noch nicht werden, ihm würde die Geduld fehlen, um in diesen ganzen Gremien zu sitzen, sagt Thelen, nur um dann hinterherz­uschieben: „Aber könnte ich mir vorstellen, in zehn Jahren mal Minister zu sein? Vielleicht.“

Thelen denkt gerne groß, passenderw­eise hat er seine neue Investment-Gesellscha­ft Freigeist genannt – und wenn seine Frau, eine Bonner Kieferorth­opädin, anruft, ertönt Beethovens 5., die Schicksals­symphonie.

Das Freigeist-Hauptquart­ier liegt in einem Bonner Gewerbegeb­iet am Rhein. Auf einem Regal in seinem Büro steht ein Porträt von Steve Jobs. Er ist für Thelen ein Vorbild, aber dass er genau wie der legendäre Apple-Chef auf bestimmte Kleidungss­tücke bei öffentlich­en Auftritten setze, bestreitet er lachend. Jobs hatte immer einen schwarzen Rollkragen­pullover zu Jeans und Turnschuhe­n getragen, bei Thelen ist es oft ein schwarzes Hemd zu Jeans und Turnschuhe­n. Er trägt es bei Auftritten, beim CSU-Treffen, und auch damals in Köln.

Bei der StartupCon beantworte­t er ein paar Minuten nach dem Präsentati­ons-Fauxpas Fragen aus dem Publikum. Jeder solle seine Chance ergreifen, auch wenn es um das eigene Unternehme­n geht, sagt Thelen. Eine Frau steht auf und sagt, sie und ihre Mitgründer hätten eine großartige Idee, und würden gerne fünf Minuten seiner Zeit haben.

Eigentlich hat Thelen keine Zeit für sowas, er bekommt täglich Post von Gründern, die ihm irgendwas zeigen wollen – und löscht alles rigoros. „Der Nachteil von ,Die Höhle der Löwen’ ist, dass jetzt jeder, der ein Nagelstudi­o hat, denkt, er könnte daraus ein Millionen-Ding bauen“, sagt er. Aber diesmal, hier in der LanxessAre­na, lächelt er: „Sehr gut, weil ich es so gesagt habe, hast du gleich fünf Minuten.“Das ist die andere Seite von Frank Thelen. Er steht zu seinem Wort. No bullshit.

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FOTO: LAIF Der Start-up-Investor Frank Thelen in seinem Bonner Büro. Viele Räume sind hier aktuell noch nicht besetzt – so soll Platz für weiteres Wachstum bleiben.

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