Rheinische Post Emmerich-Rees

Prügelnder Landwirt: Noch immer ist kein Prozesster­min in Sicht

- VON LUDWIG KRAUSE

Im Oktober 2016 hatte ein Bauer zwei Kontrolleu­re mit einer Eisenstang­e verletzt. Im März 2017 wurde Anklage erhoben – passiert ist bis heute nichts.

KLEVE/UEDEM/DÜSSELDORF Der Fall hatte im Oktober 2016 für Aufsehen gesorgt: Ein damals 44-jähriger Landwirt hatte bei einer angekündig­ten Betriebsko­ntrolle seiner Schweinema­st in Uedem-Keppeln eine 29-jährige Mitarbeite­rin und einen 42-jährigen Mitarbeite­r des Veterinära­mtes des Kreises Kleve unvermitte­lt angegriffe­n. Sie sollen Missstände im Schweinest­all festgestel­lt haben und wollten diese gerade mit einer Handykamer­a dokumentie­ren, als der Landwirt mit einer Eisenstang­e auf sie einschlug.

Die damals 29-Jährige erlitt eine Platzwunde am Kopf, ihr Kollege einen Arm- und einen Ellenbogen­bruch. Den damaligen Schilderun­gen zufolge gelang es der Frau, aus dem Stall zu fliehen und die Polizei über den Notruf zu verständig­en. Die Beamten nahmen den Landwirt, der inzwischen in sein Haus gegangen war, später widerstand­slos fest. Die Frau konnte nach ambulanter Behandlung ihrer Verletzung nach Hause entlassen werden, der Mann musste stationär im Klever Krankenhau­s behandelt werden.

Ein Klever Haftrichte­r hatte daraufhin Haftbefehl wegen versuchten Mordes, gefährlich­er Körperverl­etzung und räuberisch­er Erpressung erlassen. Bis Januar 2017 saß der Landwirt in Untersuchu­ngshaft, dann wurde dieser außer Vollzug gesetzt. Als die Anklage am 29. März erhoben wurde, war der Vorwurf des versuchten Mordes auch aus der Welt. Der Mann muss sich vor Gericht wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und räuberisch­er Erpressung verantwort­en. Eigentlich. Denn zur Hauptverha­ndlung ist es bis heute nicht gekommen. Es gibt noch nicht einmal einen Termin.

Rechtsanwa­lt Wolfgang Köhler aus Düsseldorf vertritt die Frau, die damals auf dem Schweineho­f angegriffe­n wurde. Seit 32 Jahren arbeitet er als Anwalt. Dass sich Ermittlung­en und Verfahren – gerade bei komplexen Sachverhal­ten – auch mal hinziehen können, weiß er. „Aber das hier ist ja eigentlich ein klarer Sachverhal­t. Es geht nur noch um die rechtliche Bewertung der Tat“, sagt er. „Und dafür benötigt es das Hauptverfa­hren.“

Dass sich der Fall nun schon derart lange hinziehe, sei seiner Mandantin nur schwer zuzumuten. „Sie leidet noch heute unter dem Angriff“, sagt Köhler. Die junge Tierärztin arbeitet nach wie vor für das Kreisveter­inäramt, die Kontrollen der Ställe fallen ihr seit dem Angriff aber deutlich schwerer. Der Anwalt spricht von einer posttrauma­tischen Belastungs­störung. Ohne Urteil – oder gar Verfahren – falle es zudem noch schwerer, mit der Sache abzuschlie­ßen. Man habe sich bereits an die Landwirtsc­haftsminis­terin und den Justizmini­ster gewandt, auch zum Landgerich­tspräsiden­ten habe es schon Kontakt gegeben.

„Das ist der absolute Ausnahmefa­ll, und wir haben auch Verständni­s für die Geschädigt­e“, sagt Landgerich­tssprecher Christian Spelz. „Wir nehmen die Sache sehr ernst. Dass die Hauptverha­ndlung immer noch nicht angesetzt ist, wurde aber allein nach sachlichen Kriterien entschiede­n.“

Das liegt auch an der rechtliche­n Bewertung durch die Anklage. Gerichte setzen ihre Fälle nach dem Beschleuni­gungsgrund­satz an. Heißt: Fälle, bei denen Angeklagte in Untersuchu­ngshaft sitzen, werden grundsätzl­ich vorrangig behandelt. Die Menschen sollen nur so lange wie nötig in Haft verbringen.

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