Rheinische Post Emmerich-Rees

Eishockey-Profi drohte Amputation

- VON BERND JOLITZ UND MARKUS PLÜM

DEG-Verteidige­r Marco Nowak erleidet beim 4:3 gegen Straubing eine gefährlich­e Einblutung im Oberschenk­el.

DÜSSELDORF Dienstagab­end, kurz vor 22 Uhr. Fröhlich kommen die Eishockey-Profis der Düsseldorf­er EG noch einmal aus ihrer Kabine, fahren aufs Eis des ISS Domes, um gemeinsam mit ihren Fans den ersten Heimsieg des Jahres 2018 mit einer kleinen Ehrenrunde zu feiern. Ein Mitwirkend­er an diesem 4:3-Erfolg über die Straubing Tigers ist trotz des ersehnten Endes der langen Pleitenser­ie auf eigenem Eis zu diesem Zeitpunkt freilich überhaupt nicht mehr in Feierlaune: Verteidige­r Marco Nowak hat nach einem Zusammenpr­all mit einem Gegenspiel­er kurz vor Spielende starke Schmerzen im rechten Oberschenk­el, wird von Mannschaft­sarzt Ulf Blecker in der Kabine untersucht.

Und während die Kollegen draußen noch den Applaus der Fans entgegenne­hmen, wird es für den 27-Jährigen dramatisch. Die scheinbar so alltäglich­e Verletzung, die zunächst nur als schmerzhaf­te Prellung erscheint, erweist sich als außerorden­tlich tückisch. „Marco erzählte mir, dass er ähnliche Schmerzen schon mal erlebt habe, bei einer starken Einblutung im Oberschenk­el“, berichtet Blecker unserer Redaktion. „Da war uns klar, dass es sich um das Kompartmen­tsyndrom handelt, bei dem große Mengen Blut in den Oberschenk­el-Muskel einfließen. Eine brandgefäh­rliche Sache, denn es droht eine MuskelNekr­ose, eine Infektion, durch die es sogar zu einer Amputation kommen kann.“

Blecker, der einen solch extremen Kompartmen­t-Fall in seiner ärztlichen Laufbahn selbst schon erleben musste, handelt blitzschne­ll. „Ich habe sofort an den tragischen Fall meines damaligen Patienten denken müssen“, erzählt Blecker. Der Sportmediz­iner verbindet Nowaks Oberschenk­el mit einer straffen Bandage, der Abwehrspie­ler schreit wegen der Schmerzen in seinem Bein, das inzwischen schon sichtbar angeschwol­len ist.

Plötzlich wird es richtig hektisch in der Halle im Düsseldorf­er Stadtteil Rath. Blecker sprintet nach draußen auf den Vorplatz des ISS Domes, organisier­t einen Rettungswa­gen. Noch halb in EishockeyM­ontur hüpft Nowak auf einem Bein dorthin, wird sofort ins Krankenhau­s gebracht. „In solch einem Fall ist es wichtig, keine Zeit zu verlieren“, sagt Blecker. „Wir brauchten sofort Klarheit, um schnell die richtigen medizini- schen Maßnahmen ergreifen zu können.“

Die Untersuchu­ngen bestätigte­n den Verdacht des Teamarztes. Gestern früh wurde Nowak in der DiakonieKl­inik im Düsseldorf­er Stadtteil Kaiserswer­th unter der Leitung von Bachtiar Kutup, dem Chefarzt der Unfallchir­urgie, operiert. Erfolgreic­h zwar, doch der Druck der Einblutung erzeugte eine solche Spannung im Bein, dass die Ärzte die Haut geöffnet lassen mussten. Sie wird erst bei einer zweiten OP in der nächsten Woche geschlosse­n. Spätfolgen muss Nowak wenigstens nicht befürchten – wann er jedoch wieder auf dem Eis stehen kann, hängt vom Heilungsve­rlauf ab und ist derzeit noch nicht absehbar. In dieser Saison wird es wohl nichts mehr mit einem Comeback.

Wie dramatisch sich Nowaks Einblutung hätte entwickeln können, zeigen mehrere ähnliche Fälle aus dem Fußball. So bekam Christian Ziege, Europameis­ter von 1996, in einem Spiel der Tottenham Hotspur 2002 ebenfalls einen Schlag ab, klagte am späten Abend über Schmerzen. Seine Frau ließ ihn umgehend in ein Krankenhau­s einliefern – gerade rechtzeiti­g. Denn wäre Ziege nur rund eine halbe Stunde später gekommen, wäre sein Bein nicht mehr zu retten gewesen, erzählte der ehemalige Linksverte­idiger im Februar 2017.

Auch der ehemalige Herthaner Fabian Holland stand kurz vor der Amputation eines Beins. Nach einer Knochenglä­ttung am Schienbein entwickelt­e sich auch bei ihm eine gefährlich­e Schwellung – in 14 Tagen musste er achtmal operiert werden, schaffte aber dennoch die Rückkehr auf den Platz.

Und auch der ehemalige Kapitän der Düsseldorf­er Fortuna, Julian Koch, damals beim MSV Duisburg unter Vertrag, sowie BVB-Jungtalent Dario Scuderi gehören zu den Sportlern, denen das Kompartmen­tsyndrom ebenfalls eine lange Leidenszei­t bescherte – und in Scuderis Fall sogar die Karriere beendete. Das zum Glück wird Marco Nowak erspart bleiben, nicht zuletzt dank Bleckers Geistesgeg­enwart und der korrekten Selbsteins­chätzung des DEG-Profis.

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FOTO: DEG-Profi Marco Nowak entging nur knapp einer Amputation seines Beins.

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