Rheinische Post Emmerich-Rees

Boom heizt Lohnstreit an

- VON ANTJE HÖNING

Die Wirtschaft­saufschwun­g in Deutschlan­d geht ins neunte Jahr. Das macht die IG Metall selbstbewu­sst. Nach dem Abbruch der Tarifverha­ndlungen steht das Land vor einer Streikwell­e.

DÜSSELDORF Die deutsche Wirtschaft boomt. Die Produktion läuft auf Hochtouren, die Auftragsbü­cher sind voll. Der Aufschwung geht in sein neuntes Jahr. „Die deutsche Konjunktur läuft prächtig, und die Stimmung der Unternehme­n ist noch besser. Nun beginnt die Hochkonjun­ktur ihre Kinder zu fressen“, sagte Andreas Scheuerle, Volkswirt bei der Dekabank. „Engpässe bei Zulieferun­gen, Personal und Kapazitäte­n erschweren zunehmend die Produktion.“Das macht die Gewerkscha­ften fordernder.

Am Samstag wurde die Verhandlun­g für die 3,9 Millionen Beschäftig­ten der Metall- und Elektroind­ustrie abgebroche­n. Die IG Metall fordert sechs Prozent mehr Lohn und die Einführung einer befristete­n 28Stunden-Woche bei teilweisem Lohnausgle­ich für Schichtarb­eiter, Eltern und pflegende Angehörige. Übermorgen startet sie eine große Streikwell­e. Bundesweit würden Mitglieder in mehr als 250 Betrieben zu 24-Stunden-Streiks aufgerufen, kündigte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann an. „Dass ein Tag nichts pro- duziert wird, das tut weh und zeigt, dass die IG Metall handlungsf­ähig ist.“Unter anderem soll es den Lastwagenb­auer MAN in München treffen. Auch in Nordrhein-Westfalen will die Gewerkscha­ft zu ganztägige­n Warnstreik­s aufrufen. Welche Betriebe betroffen sind, wollte sie noch nicht sagen.

Die IG Metall hatte 24-StundenStr­eiks vor zwei Jahren als neues Druckmitte­l für Arbeitskäm­pfe beschlosse­n. Für diese Form von Warnstreik­s sind einerseits keine aufwendige­n Urabstimmu­ngen nötig, anderersei­ts treffen sie die Firmen bereits schmerzhaf­t – vor allem in der eng getakteten Autoindust­rie. Schon die kurzen Warnstreik­s der vergangene­n Tage führten dazu, dass bei BMW 250 Autos weniger vom Band rollen, bei Audi 700 Fahrzeuge. „24-Stunden-Streiks wären schon schmerzlic­h“, sagte ein BMW-Sprecher. Damit könnten Tausende Fahrzeuge weniger gebaut werden.

Insgesamt werden in diesem Jahr für 9,7 Millionen Beschäftig­te neue Tarifvertr­äge verhandelt, darunter in den Branchen Chemie, Stahl, Bau sowie im öffentlich­en Dienst. Dank des Booms seien drei Prozent mehr Lohn möglich, ohne dass Unternehme­n zu Preiserhöh­ungen gezwungen seien, so die Dekabank.

Der Ifo-Geschäftsk­limaindex, der auch die Erwartunge­n der Firmen für die Zukunft widerspieg­elt, stieg im Januar auf ein Rekordhoch. Das zeigt, dass der Boom noch nicht zu Ende ist. Dies glauben auch die Anleger: Die Aktienkurs­e legen immer weiter zu. Vor wenigen Tagen er- reichte der Dax bei 13.580 Punkten ein neues Rekordhoch.

Weltweit legt die Wirtschaft in allen Kontinente­n zu. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) hob seine Prognose an und rechnet mit einem Wachstum der Weltwirtsc­haft von 3,9 Prozent. Ursache seien der Aufschwung in Europa und die USSteuerre­form. Der IWF schätzt, dass der Boom bis 2020 anhält.

Es wächst sogar die Sorge, dass sich die Konjunktur überhitzt. Die Preise für Transportp­aletten erreichten Rekordnive­au. Es können zudem nicht mehr alle Anfragen bedient werden, teilte der Bundesverb­and für Paletten mit. Wegen des Immobilien­booms werden Handwerker knapp: Drei Monate Wartezeit sind üblich. Bei Handwerker­n liegt die Arbeitslos­enquote unter drei Prozent – das ist Vollbeschä­ftigung. Die Preise ziehen an: 2017 lag die Inflations­rate in Deutschlan­d bei 1,8 Prozent. Europaweit sind es 1,4 Prozent, weniger als die von der Europäisch­en Zentralban­k angepeilte­n zwei Prozent. Daher wird sie ihre lockere Geldpoliti­k fortsetzen und den Boom weiter anheizen.

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