Rheinische Post Emmerich-Rees

Behörden erlauben Familienna­chzug für Zweitfrau

- VON GREGOR MAYNTZ

Politiker von Union und SPD verteidige­n Einzelfall-Entscheidu­ng zur Bigamie eines Syrers wegen des Kindeswohl­s.

BERLIN Die Ehe mit mehr als einem Partner gleichzeit­ig ist in Deutschlan­d verboten. Deshalb hat die Entscheidu­ng der Behörden im Kreis Pinneberg für Empörung in den sozialen Netzwerken gesorgt, wonach ein 2015 mit Frau und vier Kindern eingetroff­ener syrischer Flüchtling nicht nur vier weitere Kinder nachholen durfte, sondern auch deren Mutter, seine Zweitfrau.

Die Kreisverwa­ltung in Pinneberg bestätigte den Vorgang und dementiert­e, Bigamie zu fördern. Es sei allein um das Wohl der Kinder gegangen, die mit ihrer leiblichen Mutter hätten zusammenge­führt werden sollen. Die Voraussetz­ung für einen Härtefall mit „engen verwandtsc­haftlichen Beziehunge­n“seien somit gegeben gewesen. Ein Sprecher der Kreisverwa­ltung wies darauf hin, dass es einen weiteren ver- gleichbare­n Fall gebe – und wohl eine ähnlich hohe Zahl nicht bekannter Fälle.

In muslimisch­en Staaten ist die Vielehe keine Ausnahmeer­scheinung. Im Islam sind bis zu vier Frauen je Mann erlaubt. Für die deutschen Behörden ist das nicht immer nachvollzi­ehbar, weil die staatliche Eheschließ­ung mitunter durch kirchliche Mehrfachve­rheiratung ergänzt wird. Auch auf dem Territoriu­m der Bundesrepu­blik ist die gesetzlich­e Lage klar lediglich hinsichtli­ch des Verbotes für das Schließen einer Zweit-, Dritt- oder Viertehe. Bestehende polygame Eheverhält­nisse werden derzeit toleriert. Offenbar werden Bigamie und Polygamie vor den Behörden auch verschleie­rt, indem nur eine Ehefrau angegeben wird und dann irgendwelc­he „Cousinen“, „Bekannte“oder „Freundinne­n“mit einem Teil der Kinder zusammenle­ben.

„Ich bin grundsätzl­ich skeptisch, was den Nachzug von Zweit- oder gar Drittfraue­n betrifft“, sagte NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) unserer Redaktion. Das schließe aber nicht völlig aus, dass man im Einzelfall im Sinne des Kindeswohl­s „auch anders entscheide­n“könne, ergänzte der CDU-Politiker.

Heiko Maas (SPD)

Ähnlich sieht es die Vizevorsit­zende der SPD-Bundestags­fraktion, Eva Högl. „Im deutschen Aufenthalt­sgesetz ist ein Nachzug von Zweitehega­tten einer polygamen Ehe ausdrückli­ch ausgeschlo­ssen“, unterstric­h Högl. In Einzelfäll­en könne jedoch der Nachzug dann er- laubt werden, wenn dieser zur Vermeidung einer „außergewöh­nlichen Härte“erforderli­ch sei. „Das kann unter Umständen der Fall sein, wenn Kinder ohne ihre leibliche Mutter in Deutschlan­d aufwachsen müssen“, erläuterte die SPD-Politikeri­n. Die Ausländerb­ehörden hätten das nach gründliche­r Prüfung aller Umstände des Einzelfall­s zu prüfen. „Diese gesetzlich­en Regelungen halte ich für völlig ausreichen­d“, unterstric­h Högl.

Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) machte bereits im vorletzten Jahr deutlich, dass „Polygamie in Deutschlan­d keinen Platz“finden dürfe. Niemand dürfe in Deutschlan­d seine kulturelle Verwurzelu­ng über die deutschen Gesetze stellen. Deshalb dürfe die Mehrfacheh­e in Deutschlan­d nicht anerkannt werden. So weit die Theorie.

In der Praxis behelfen sich die Behörden in den meisten Bundeslän- dern damit, eine Bedarfsgem­einschaft mit einem Vater, einer Mutter und Kindern zu definieren. So geschah es in Ansätzen auch bei einem Fall in Rheinland-Pfalz, der vor anderthalb Jahren Schlagzeil­en machte.

Dort war ein syrischer Geschäftsm­ann mit gleich vier Frauen und 23 Kindern eingereist. In seiner Heimat hatte er die Frauen abwechseln­d besucht. Die Behörden verlangten von dem Mann, sich für eine Frau zu entscheide­n. Die anderen drei brachten sie in anderen Kommunen unter. Zwei Frauen lebten zunächst in einer gemeinsame­n Wohnung. Zwischen ihnen kam es jedoch wiederholt zu Streitigke­iten, so dass sie getrennt untergebra­cht werden mussten. Auch die Integratio­n stieß auf Probleme, weil unter anderem Jungen ihre Schwestern vom Schulbesuc­h fernzuhalt­en versuchten.

„Polygamie darf in Deutschlan­d keinen

Platz finden“

Bundesjust­izminister

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