Steinmeier: Asyl nur für wirklich Verfolgte
Der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Jordanien schärft den Blick auf die eigene Flüchtlingspolitik.
AMMAN Luftballons in Schwarz, Rot und Gelb halten die Kinder in den Händen und rufen dem deutschen Bundespräsidenten „Willkommen“und „Jordanien zuerst“entgegen. Frank-Walter Steinmeier besucht in der jordanischen Hauptstadt Amman eine von mehr als 200 sogenannten Doppelschichtschulen des Landes. Morgens werden dort die einheimischen Kinder unterrichtet. Am Nachmittag stehen Räume und Lehrer für drei Stunden den Flüchtlingskindern aus Syrien zur Verfügung.
„Seitdem die Flüchtlinge hier sind, ist unsere Schule viel schöner geworden“, sagt die 17-jährige Mariam Khalefa. Mit Geldern der deutschen GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) hat der Schulhof eine Arena bekommen, die Sanitäranlagen sind saniert, und es gibt einen Hausmeister. Deutschland ist bilateral der zweitgrößte Geldgeber für die Flüchtlingshilfe im Land. Doch so gut das Vorzeige-Projekt auch aussieht, wirklich integrieren können die Jordanier die vielen Flüchtlinge nicht. Die Kinder bleiben getrennt, sprechen unterschiedliche Varianten des Arabischen. Zudem hätten die Kinder aus Syrien meistens ein niedrigeres Leistungsniveau und seien traumatisiert, berichtet Lehrerin Dania Basem Al Azza.
Jordanien hat offiziell rund 650.000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Nach Schätzungen sind noch einmal so viele auf illegalem Weg ins Land gekommen. „Es ist bewundernswert, was Jordanien unter diesen schwierigen Bedingungen leistet“, sagte Steinmeier nach seinem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. „Wir sollten es nicht nur wertschätzen von Deutschland aus, wir sollten auch Hilfe leisten“, betonte der Präsident, der den Jordaniern fortgesetzte Hilfe zusicherte.
So sehr Steinmeier den Jordaniern für ihre Großzügigkeit in der Flüchtlingshilfe dankte, so klar zog er die Li- nien für die deutsche Innenpolitik. In einem Interview mit der Tageszeitung „Al Ghad“betonte der Bundespräsident, Deutschland müsse die Unterscheidung zwischen jenen treffen, die mit Asylgründen oder als Kriegsflüchtlinge Schutz suchten, und denen, die nach „einem wirtschaftlich besseren Leben“strebten. „Vor allem um den politisch Verfolgten gerecht werden zu können, müssen wir diese Unterscheidung wieder ernst nehmen“, erklärte Steinmeier.
Es sind auch nicht nur humanitäre Gründe, warum Deutschland mit großzügiger Hilfe für die Flüchtlinge Jordanien stützt. Die Stabilität des Landes ist aus deutscher und auch aus europäischer Sicht von großem Interesse. Jordanien, das gleichermaßen gute Beziehungen zu den Palästinensern, zu Israel, zu Saudi-Arabien und in die USA zu pflegen versucht, gilt als „Anker der Stabilität“in der Region, wie es auch Steinmeier formulierte.
König Abdullah II. gehört zu den wenigen Herrschern in der Region, die in den zahlreichen ethnischen, religiösen und machtpolitischen Konflikten immer wieder ausgleichend zu wirken versuchen. Seine schillernde Frau Königin Rania Al Abdullah genießt ebenfalls international Aner- kennung als tolerante Brückenbauerin. Das Land ist aber nicht unabhängig. Es ist auf finanzielle Hilfen von außen angewiesen. Es darf es sich also mit keinem seiner mächtigen Geldgeber verscherzen. Die Energieversorgung muss zu 97 Prozent durch Importe gesichert werden. Durch den massenhaften Zuzug von Flüchtlingen und wegen fehlender Reformen bei Steuern und Wirtschaft hat sich die ökonomische Lage in den vergangenen Jahren noch einmal verschärft. Unter den 15- bis 24-jährigen oft gut ausgebildeten jungen Jordaniern liegt die Arbeitslosenquote bei 37 Prozent.
Heute fliegt Steinmeier in den Libanon. Zuvor wird er in Jordanien noch die im Kampf gegen die Terrormiliz IS stationierten deutschen Soldaten und ein Flüchtlingslager besuchen. Im Libanon steht er vor einer ähnlichen Mission wie in Jordanien. Auch dort muss er einem kleinen Land, das in religiösen und gesellschaftspolitischen Fragen vergleichsweise tolerant ist und enorm viele Flüchtlinge aufgenommen hat, Mut machen, diese Linie beizubehalten.