Rheinische Post Emmerich-Rees

Mr. Billy ist tot

- VON ANDRÉ ANWAR

Mit 17 Jahren gründete Ingvar Kamprad Ikea. Nun starb der eigenwilli­ge Unternehme­r im Alter von 91 Jahren in Småland.

STOCKHOLM Der Mann, der die Welt neu möblierte, ist tot. Ingvar Kamprad schlief mit 91 Jahren in seinem Heim in der südschwedi­schen Provinz Småland nach kurzer Krankheit friedlich ein, teilte Ikea mit. „Ingvar wird von seiner Familie und von Ikea-Mitarbeite­rn auf der ganzen Welt sehr vermisst werden und in Erinnerung bleiben“, so der Konzern. Kamprad habe geholfen, Schweden in der Welt bekannt zu machen, twitterte Außenminis­terin Margot Wallström.

„Ikea – inget är omöjligt“(Nichts ist unmöglich) lautete lange Zeit der Slogan des Möbelhause­s. Und der galt auch für Kamprads Leben. 1896 war sein Großvater, ein entfernter Verwandter von Paul von Hindenburg und Sohn eines Großgrundb­esitzers, aus Thüringen nach Schweden ausgewande­rt. Kamprad wurde 1926 geboren und wuchs auf dem väterliche­n Bauernhof in Småland auf, dem größten in der Gegend. Handeln und Feilschen bekam er von klein auf mit.

Noch während seiner Kaufmanns-Lehre gründete er 1943 einen Gemischtwa­renladen und nannte ihn Ikea: Der Namen leitet sich von Anfangsbuc­hstaben seines Namens, dem Hof vom Vater (Elmtaryd) und seinem Heimatdorf Agunnaryd ab. Mit einigen Angestellt­en verkaufte Kamprad zunächst Stifte, Geldbörsen, Bilderrahm­en, Uhren und Nylonstrüm­p- fe. Zum Kriegsende führte er als einer der Ersten in Europa einen Versandhan­del ein: In einem Milchwagen wurden die Waren vom Lager zum nächsten Bahnhof gebracht.

1947 kamen Möbel hinzu, 1951 verteilte Kamprad den ersten Ikea- Katalog. Die alteingese­ssenen Möbelhändl­er reagierten allergisch, sie verboten Zulieferer­n, an den respektlos­en Neuling zu liefern. Daraufhin beschloss Kamprad, eigene Möbel zu produziere­n. Er ahmte teure Designerpr­odukte nach, um sie zu günstigere­n Preisen zu verkaufen. Die in der Not geborene Idee war der Grundstein für den Erfolg. Das galt auch für seinen zweiten Geniestrei­ch: die Möbelstück­e in Einzelteil­e zu zerlegen und in handliche Kartons zu verpacken. Die Idee kam Kamprad, als er einen Mitarbeite­r dabei beobachtet­e, wie er die Beine von einem Tisch abschraubt­e, damit dieser in das Auto eines Kunden passte. Dass Ikea damit auch noch einen Produktion­sschritt (die Endmontage) und Geld sparte, war umso besser.

Die Möbel mit den freundlich­en Vornamen eroberten die Wohnzimmer der Skandinavi­er und dann die der ganzen Welt. In mehr als 40 Ländern kann man heute Billy-Regale, den Lack-Beistellti­sch oder den Wippstuhl Poäng kaufen.

Geprägt von den bescheiden­en Verhältnis­se seiner Heimat hatte Kamprad stets die Kunden mit dem kleinen Geldbeutel im Visier. Kamprad selbst stieg zum reichsten Schweden auf und behielt doch seine extreme Sparsamkei­t bei. Er galt als sympathisc­h-kauziger Gründer, der mit seinen Topmanager­n lieber im Bus statt in Luxuswagen fuhr. Auch die feinsten Banketts besuchte er bis zuletzt in seinen manchmal fast hippiehaft­en Secondhand­kleidern. In einem Buch zur Firmengesc­hichte aus dem Jahr 1988 beschrieb er seine Angewohnhe­it, immer kurz vor Marktschlu­ss Gemüse einzukaufe­n, um so einen besseren Preis für die Produkte zu erhalten.

Offiziell trat Kamprad 2014 in den Ruhestand. Doch bis zuletzt hielt er die Fäden in der Hand. Er war ein eigenwilli­ger Chef: streng und mit den Mitarbeite­rn per du. Er gab wenige Interviews, pflegte aber Kontakt mit Kunden und Belegschaf­t.

Für Kritik sorgte, dass Kamprad seinen Konzern 1982 in eine niederländ­ische Stiftung umwandelte, um Steuern zu sparen. Weitere Töchter sitzen in steuergüns­tigen Ländern wie Liechtenst­ein und Luxemburg. Ingvar Kamprad selbst zog für viele Jahre in die Schweiz, wo Reiche weniger besteuert werden als in Schweden. Erst nach dem Tod seiner Frau Margaret kehrte er in sein Heimatland zurück.

Dass er als Jugendlich­er aktiv mit Adolf Hitler sympathisi­erte, haben ihm seine Landsleute dagegen erstaunlic­h schnell verziehen. Kamprad hatte sich öffentlich entschuldi­gt, das reichte aus.

Wie es weitergeht, ist unklar. Kamprad galt als strenger Vater. Er soll bis zuletzt verhindert haben, dass seine Söhne zu großen Einfluss auf das Gesamtgesc­häft erhalten.

 ?? FOTO: ACTION PRESS ?? Der 51-jährige Ingvar Kamprad vor seiner Villa in Schweden. Der Wippstuhl Poäng ist einer der Klassiker von Ikea. Wie es sich für einen Schweden gehört, fuhr Kamprad Volvo.
FOTO: ACTION PRESS Der 51-jährige Ingvar Kamprad vor seiner Villa in Schweden. Der Wippstuhl Poäng ist einer der Klassiker von Ikea. Wie es sich für einen Schweden gehört, fuhr Kamprad Volvo.

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