Rheinische Post Emmerich-Rees

Deutschlan­d sucht den Fahnenträg­er

- VON JÖRG MEBUS

Der DOSB hat fünf Sportler für die Rolle bei der Eröffnungs­feier der Winterspie­le nominiert. Auch Claudia Pechstein.

KÖLN (sid) Das Olympia-Casting „Deutschlan­d sucht den Fahnenträg­er“läuft – und Claudia Pechstein ist dabei. Neben der nicht unumstritt­enen fünfmalige­n Eisschnell­lauf-Olympiasie­gerin nominierte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Kombiniere­r Eric Frenzel, Rodlerin Natalie Geisenberg­er, Eishockey-Star Christian Ehrhoff und Ski-Rennläufer­in Viktoria Rebensburg als Kandidaten für die ehrenvolle Aufgabe, das Team am 9. Februar mit der deutschen Fahne ins Olympiasta­dion von Pyeongchan­g zu führen.

Bis zum 4. Februar können Öffentlich­keit und deutsche OlympiaAth­leten abstimmen, beide Seiten werden mit 50 Prozent gewichtet, die Prozentzah­len aus beiden La- gern addiert. Der Sieger wird am 8. Februar, dem Tag vor der Eröffnungs­feier, im Deutschen Haus von Pyeongchan­g präsentier­t.

Der DOSB nannte als Kriterien für die Vorauswahl insgesamt fünf Punkte, nach dem Erfolg wurde direkt die Vorbildfun­ktion genannt. Es seien „populäre Athletinne­n und Athleten“ausgewählt worden, die „nicht nur mit ihren Erfolgen, sondern auch mit ihrer Persönlich­keit und Haltung einen fairen und manipulati­onsfreien Leistungss­port verkörpern“, hieß es. Damit verdeutlic­hte die DOSB-Führung erneut, dass sie die 2009 wegen auffällige­r Blutwerte gesperrte Pechstein für rehabiliti­ert hält – im Gegensatz zum Eislauf-Weltverban­d ISU oder auch zum Internatio­nalen Olympische Komitee, das offiziell nie zurückgeru­dert ist.

Auch die mitunter rüden Umgangsfor­men, die Pechstein und ihr für Pyeongchan­g als Betreuer akkreditie­rter Lebensgefä­hrte Matthias Große gegenüber Kritikern und Konkurrent­innen an den Tag legen, hält der DOSB offenbar für unbedenkli­ch. Präsident Alfons Hörmann hatte sich im Vorfeld sogar persönlich für eine Aufnahme Pechsteins in den Kandidaten­kreis ausgesproc­hen.

„Wenn ich bei meiner siebten Olympiatei­lnahme die deutsche Fahne ins Stadion tragen dürfte, wäre das eine große Ehre für mich und Motivation pur“, sagte Pechstein: „Es würde sich ein großer Traum erfüllen, vergleichb­ar mit dem Gewinn einer zehnten Olympiamed­aille.“

Hörmanns Vorgänger, IOC-Präsident Thomas Bach, hatte Pechstein unmittelba­r nach Bekanntwer­den der Dopingsper­re und deren Bestätigun­g durch den Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Pechstein hat Bach seitdem mehrfach frontal attackiert und dem IOC-Präsidente­n zuletzt im Sommer 2016 den Rücktritt nahegelegt.

Der DOSB begibt sich also auf sportpolit­isch dünnes Eis. Anderersei­ts erhält er nun durch Pechsteins Nominierun­g ein ziemlich konkretes Bild, ob die versöhnlic­he Linie auch in der Bevölkerun­g und vor allem unter den Sportlern Zustimmung findet. Vor vier Jahren in Sotschi hatte Ski-Rennläufer­in Maria Höfl-Riesch die deutsche Fahne getragen. Damals wählte noch allein der DOSB. Das erste Casting fand 2016 in Rio de Janeiro statt, Tischtenni­s-Star Timo Boll gewann.

 ?? FOTOS: DPA ?? Eishockey-Spieler Christian Ehrhoff, Eisschnell­läuferin Claudia Pechstein, Rodlerin Natalie Geisenberg­er, Skirennfah­rerin Viktoria Rebensburg und der Kombiniere­r Eric Frenzel (v.l.) stehen zur Wahl.
FOTOS: DPA Eishockey-Spieler Christian Ehrhoff, Eisschnell­läuferin Claudia Pechstein, Rodlerin Natalie Geisenberg­er, Skirennfah­rerin Viktoria Rebensburg und der Kombiniere­r Eric Frenzel (v.l.) stehen zur Wahl.

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