Rheinische Post Emmerich-Rees

So ausgehöhlt ist 50+1 im Fußball schon

- VON GIANNI COSTA

Martin Kind treibt die Öffnung der Bundesliga­klubs für Investoren voran. Eine Bestandsau­fnahme.

HANNOVER In diesen Tagen ist in Hannover wieder ein Stückchen mehr an einer Revolution im deutschen Profifußba­ll gearbeitet worden. Martin Kind hat mit seinem Gebaren, die Mehrheit an Hannover 96 zu übernehmen, die Deutsche Fußball Liga (DFL) nun in eine für ihn sehr komfortabl­e Position gebracht. Die DFL hat angekündig­t, in einer Grundsatzd­ebatte über die 50+1-Regel innerhalb der Liga diskutiere­n zu wollen. Dafür hat Kind seinen Antrag auf Ausnahmege­nehmigung ruhen lassen. Damit hat er womöglich mehr erreicht, als wenn er direkt den Gang vor Gericht angetreten hätte.

„Mit der 50+1-Regel soll die ungebremst­e und vor allem vollständi­ge Übernahme deutscher Vereine durch Kapitalgeb­er ausgeschlo­ssen werden. Aus Fansicht wird der Fortbestan­d eines mittelbare­n Einflusses der Mitglieder auf die Profi-Fußballabt­eilungen gesichert, insbesonde­re in Abgrenzung zu zahlreiche­n englischen Vereinen“, erklärt der Düsseldorf­er Anwalt Andreas Hecker (Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner). „Mehrheitli­ch bedeutet, dass der Verein mehr als 50 Prozent der Stimmenant­eile halten muss oder bei einer KGaA deren geschäftsf­ührenden Komplement­är kontrollie­ren muss.“

Schon jetzt gibt es eine ganze Reihe von Ausnahmen. Dazu gehören die Werksklubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg sowie die TSG 1899 Hoffenheim, deren Anteile zu 96 Prozent vom langjährig­en Mäzen Joachim Hopp gehalten werden. Kind hält mit drei anderen Investoren aus Hannover 100 Prozent der Kapitalant­eile an der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, will aber nun auch eine Mehrheit an der geschäftsf­ührenden Komplement­ärGmbH erwerben.

Abseits der von der DFL genehmigte­n Ausnahmen sind die Klubs der „50+1-Regel“unterworfe­n. Schaut man genauer hin, gibt es erhebliche Unterschie­de bei den gewählten Strukturen und beim Umfang von Investoren/Kapitalgeb­er-Beteiligun­gen.

Bei drei Vereinen der 1. Bundesliga (Freiburg, Mainz 05 und Schalke 04) und zwölf Vereinen der 2. Liga (Erzgebirge Aue, Union Berlin, Bochum, Darmstadt 98, Dresden, Fortuna Düsseldorf, Heidenheim, Lautern, Kiel, Nürnberg, Sandhausen und St. Pauli) sind die Profimanns­chaften noch nicht ausgeglied­ert. „Die Vereine verzichten aber nicht auf sämtliche Arten von Investoren“, sagt Hecker. „Nürnberg, Lautern und Schalke haben Anleihen an Fans und Investoren ausgegeben. Schalke hat 2016 sogar die erste Anleihe im deutschen Fußball platziert, die an der Frankfurte­r Börse im Freiverkeh­r gehandelt wird. Der Verein muss seitdem bestimmte Mitteilung­spflichten erfüllen.“

Borussia Mönchengla­dbach und der 1. FC Köln haben zwar ihre Profi-Teams ausgeglied­ert, halten jeder aber weiter die Anteile der Kapitalges­ellschaft zu 100 Prozent. Diese Variante trifft auch auf Braunschwe­ig, Bremen, Greuther Fürth und Bielefeld zu. Den Vereinen stehen dabei verschiede­ne Rechtsform­en zur Verfügung – darunter eine GmbH, wie im Falle von Gladbach oder eine Aktiengese­llschaft (FC Bayern), oder eine KGaA (Dortmund oder Köln). Elf Vereine haben ihre Profiabtei­lungen nicht nur ausgeglied­ert, sondern auch bereits Investoren als Mitgesells­chafter an Bord. Dies reicht von einer kleinen Minderheit­skapitalbe­teiligung, wie bei Duisburg oder Hertha BSC, bis hin zur

Martin Kind weit überwiegen­den oder vollständi­gen Kapitalmeh­rheit der Investoren, wie beim BVB, H96 und RB Leipzig. In diesen drei Fällen hat der Verein ausschließ­lich über die Komplement­är-GmbH den Einfluss auf die Geschäftsf­ührung der Profi-Gesellscha­ft.

„Bereits mit einer erhebliche­n Kapitalbet­eiligung entstehen Abhängigke­iten des Vereins gegenüber dem Investor, selbst wenn der Verein die Geschäftsf­ührung in der Hand hält“, erzählt Hecker. „1860 oder RB Leipzig, aber auch die Strukturen bei Hannover zeigen, dass die 50+1-Regel gar nicht die an sie gestellten Erwartunge­n erfüllen kann. Viel mehr hängt der gewissenha­fte Umgang mit dem Profi-Verein von den Absichten und der Verlässlic­hkeit des Investors ab.“

Hecker hält es für einen diskussion­swürdigen Weg, wie in vielen Vereinssat­zungen ohnehin schon vorgesehen, dass den Vereinen durch die Verbandssa­tzung verbindlic­h aufgegeben werden sollte, Anteilsver­äußerungen (ab einem bestimmten Umfang) zwingend der Mitglieder­versammlun­g zum Beschluss vorzulegen. „Hierdurch“, so Hecker, „könnte als Alternativ­e zur bisherigen 50+1-Regel die Entscheidu­ng auf die Vereine verlagert und damit die Verantwort­ung des DFL Präsidiums für Einzelfäll­e eingeschrä­nkt werden.“

„Wir müssen gemeinsam Veränderun­gen in der Liga

gestalten“

Präsident von Hannover

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