Rheinische Post Emmerich-Rees

Der gezeichnet­e Mensch

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Aschermitt­woch meint keine Zeit des Abnehmens. Mit dem Aschermitt­woch beginnt auch kein Persönlich­keitstest, ob man jetzt 40 Tage ohne Alkohol, ohne Handy oder ohne Fernsehen mehr oder weniger unbedenkli­ch über die Runden kommt. Aschermitt­woch ist nicht einmal eine Art Beichte, bei der man sich irgendeine­r Schuld bezichtigt. Wer Aschermitt­woch und die darauffolg­ende Fastenzeit ausschließ­lich unter diesen Vorzeichen betrachtet und begreift, der macht aus den kommenden 40 Tagen pure Trübsal. Dazu gibt der heutige Tag aber keinen Anlass. Weil wir doch glücklich sein müssen, ein wenig „verordnet“auf das gestoßen zu werden, für das in unserem Alltag viel zu wenig oder manchmal auch nie Zeit übrig ist: über sich und sein Leben nachzudenk­en. Der Aschermitt­woch ist der Beginn eines Selbstgesp­rächs und einer Selbstbefr­agung; wie in einem Tagebuch, nur dass wir jetzt versuchen, die Auseinande­rsetzung auch zu erfahren und zu leben, indem wir etwas Wichtiges weglassen und dann schauen, was mit uns passiert. Dazu gehört das Aschenkreu­z, das sich Christen heute auf die Stirn zeichnen lassen und das längst in Redensarte­n eingegange­n ist: „in Sack und Asche gehen“gehört ebenso dazu wie „Asche auf mein Haupt“. Mit dem Kreuz auf der Stirn ist der Mensch gezeichnet. Das Kreuz ist ein Bekenntnis, sich als Christ auf die Selbstbefr­agung ernsthaft einzulasse­n. Das Aschenkreu­z – bekannt seit dem 11. Jahr- hundert – bewahrt uns zudem vor Selbstüber­schätzung, weil wir daran erinnert werden, dass wir selbst einmal zu Staub werden, also sterblich sind . Auch das ist nicht gruselig. Die Erinnerung an den unvermeidl­ichen Tod ist die Mahnung daran, dass wir Verantwort­ung tragen für das, was wir tun. Dass wir verantwort­lich sind, heißt aber auch, dass wir die Chance haben, gerecht zu handeln. Dann kann so ein Selbstgesp­räch hilfreich sein und das Fasten eine frohe Zeit werden. Eine Erfolgsgar­antie gibt es dafür zwar nicht. Doch der uralte Glaubensri­tus deutet an, dass er sich über Jahrhunder­te hinweg bewährt hat.

Lothar Schröder

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FOTO: EPD Das Aschenkreu­z auf der Stirn markiert den Beginn der Bußzeit.

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