Rheinische Post Emmerich-Rees

Türkei nennt Cem Özdemir „Terrorist“

- VON GREGOR MAYNTZ

Der Grünen-Politiker erhielt Polizeisch­utz nach einer Drohung der türkischen Delegation während der Münchner Sicherheit­skonferenz. Ministerpr­äsident Yildirim sprach später von einer „Erfindung“.

MÜNCHEN Der Grünen-Politiker Cem Özdemir hat der Bundesregi­erung eine Mitschuld gegeben, dass er bei der Münchner Sicherheit­skonferenz von drei Personensc­hützern begleitet werden musste. „In Berlin sollte man sich mal langsam fragen, ob das permanente Schönreden der Situation in Ankara nicht zu einem solchen Verhalten der türkischen Seite beiträgt“, sagte Özdemir unserer Redaktion. „Es ist schon bizarr, wenn man einem Geiselnehm­er wie Erdogan noch dankt, nachdem er eine seiner Geiseln nach einem Jahr freilässt und zu den gleichzeit­ig zu lebenslang­er Haft verurteilt­en Journalist­en nichts zu sagen hat“, erläuterte der Ex-Grünen-Chef. Er bescheinig­te der Polizei, in München einen „großartige­n Job gemacht“zu haben.

Informatio­nen vom Rande der Sicherheit­skonferenz zufolge hatte sich die türkische Delegation nach einer zufälligen Begegnung mit Özdemir über die Anwesenhei­t eines „Terroriste­n“im selben Hotel beschwert. Özdemir erhielt daraufhin Polizeisch­utz, wurde wie ein hoch- gefährdete­r Staatsgast auf allen seinen Wegen durch den Bayerische­n Hof von drei Beamten abgeschirm­t. Auf Nachfrage bezeichnet­e der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu die Beschwerde über einen „Terroriste­n“als „erfunden“. Özdemir habe mit dem Vorgang nur „sichtbar“werden wollen. Die Polizei stufte die Gefährdung­slage Özdemirs jedoch anders ein.

Die Sicherheit­skonferenz wurde von Warnungen vor wachsenden Kriegsgefa­hren geprägt. Am letzten Tag des Treffens von über 500 Sicherheit­sverantwor­tlichen aus der ganzen Welt präsentier­te Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu auf der Bühne ein Metallstüc­k, das angeblich von einer über Israel abgeschoss­enen iranischen Drohne stammte. „Herr Sarif, erkennen Sie das?“, fragte er den zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesenden iranischen Außenminis­ter. „Es gehört Ihnen“, fuhr Netanjahu fort. Er könne es mit einer Botschaft an die „Tyrannen in Teheran“zurücknehm­en: „Testen Sie nicht unsere Entschloss­enheit.“

Der israelisch­e Regierungs­chef kündigte an, jeden iranischen Mili- tärstützpu­nkt in Syrien und im Libanon anzugreife­n. Wenn nötig, werde Israel auch direkt gegen den Iran tätig werden. Netanjahu verglich den Atomvertra­g mit dem Iran mit dem Münchner Abkommen von 1938. Damals hätten die Alliierten beschwicht­igt, statt Hitler zu stoppen. Israel werde nun aber „böse Dinge im Keim ersticken“.

Sarif wies die Beschuldig­ungen von Netanjahu als „Zirkus“zurück. Der Iran habe stets auf der „richtigen Seite der Geschichte“gestanden. Es seien die USA und Israel, die für die Konflikte in der Region verantwort­lich seien. Sein Land strebe nicht nach einer Hegemonie, sondern wolle die gesamte Region stärken. Er bestätigte in München jedoch ebenfalls: „Wir stehen ganz nah vor einem eskalieren­den Konflikt“, und appelliert­e an die Staaten der Region, sich an die Seite Teherans zu stellen.

Saudi-Arabiens Außenminis­ter Adel bin Ahmed al-Jubeir bekräftigt­e jedoch die Gegnerscha­ft seines Landes gegenüber Teheran: „Wir haben dem Iran unsere Freundscha­ft angeboten, aber Tod und Zerstörung bekommen“, klagte der Vertreter Riads. Am Vortag hatte Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) ebenfalls eine alarmieren­de Analyse der Weltlage geliefert. Im Nahen und Mittleren Osten bewege sich der Syrienkonf­likt nach sechs blutigen Jahren in eine gefährlich­e Richtung, die „akute Kriegsgefa­hr selbst für unsere engen Partner bedeutet“.

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