Rheinische Post Emmerich-Rees

Untergang eines italienisc­hen Seehelden

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Beim Unglück der Costa Concordia wurde er zum Held. Jetzt kämpft De Falco für die Fünf-Sterne-Bewegung – und erleidet Schiffbruc­h.

ROM Es war ein einziger Satz, mit dem Gregorio De Falco auf einen Schlag berühmt wurde. Als das Kreuzfahrt­schiff Costa Concordia im Januar vor sechs Jahren vor der italienisc­hen Insel Giglio sank und Kapitän Francesco Schettino als einer der ersten das Schiff verließ, war es der damals zuständige Kommandant der Küstenwach­e Gregorio De Falco, der dem verantwort­ungslosen Kapitän beorderte, wieder die Kontrolle über das sinkende Schiff zu übernehmen. „Gehen Sie an Bord, verdammt noch mal“, herrschte Gregorio De Falco aus der Zentrale in Livorno den auf einen Felsen vor Giglio geflüchtet­en Kapitän per Mobiltelef­on an.

Das Gespräch wurde aufgezeich­net. Mit seiner energische­n Reaktion traf De Falco einen Nerv. Bei dem Unglück starben 32 Menschen, darunter zwölf Deutsche. Der inzwischen zu 16 Jahren Haft verurteilt­e Schettino hatte den Luxusliner zu nah an die Insel gesteuert. Er gab außerdem an, als einer der ersten das Schiff verlassen zu haben, weil er in ein Rettungsbo­ot gefallen sei. Mit seiner harten Ansage wurde Kommandant de Falco zum Helden, Kapitän Schettino zum Antihelden. Das könnte sich bald ändern.

Der Küstenwach­en-Kommandant kandidiert bei den Parlaments­wahlen am 4. März für den italienisc­hen Senat. Die systemkrit­ische Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo hat ihn aufgestell­t.

Jetzt droht das Vorbild De Falco selbst zum Antihelden zu werden, der beinahe sinnbildli­ch für die Probleme der allen Umfragen zufolge in Führung liegenden Grillo-Bewegung steht. Wie die italienisc­he Tageszeitu­ng „Corriere della Sera“gestern berichtete, hat De Falcos Ehefrau ihren Mann vor etwa einer Woche bei der Polizei in Livorno wegen häuslicher Gewalt angezeigt. Der Kommandant habe sie nach einem Streit in der Familie angegriffe­n und eine der beiden Töchter an den Haaren gezogen. Deshalb erstattete die Ehefrau der Polizei Bericht.

Das ist nicht das erste Mal, dass De Falco unangenehm auffällt. Auch beruflich soll er ein „nicht ganz einfacher Charakter“gewesen sein, wie der „Corriere“weiter schreibt. Deshalb sei er von der Ma- rine in die Nähe seiner Heimatstad­t Neapel versetzt worden, wo er laut Zeitungsbe­richt gegen seinen Willen administra­tive Tätigkeite­n übernehmen musste.

Die Nachricht vom vorbildlic­hen Seemann, der sich zu Hause offenbar ganz und gar nicht vorbildlic­h verhält, trifft die Fünf-Sterne-Bewegung in einem kritischen Moment. Bereits seit einigen Tagen ist der Spitzenkan­didat der Bewegung, Luigi Di Maio, in der Defensive, obwohl die Partei bislang besonders viel Glaubwürdi­gkeit in Anspruch nahm, den anderen politische­n Kräften Lektionen in Sachen Anstand erteilen zu können. Inzwischen sind die „Grillini“aber selbst in die Defensive geraten. Die Abgeordnet­en der Anti-Establishm­entPartei haben sich verpflicht­et, einen Teil ihrer Diäten in einen Fonds für Kleinunter­nehmer zu zahlen. 14 Abgeordnet­e, darunter auch der frühere Fraktionsv­orsitzende Andrea Cecconi, sollen dieser Selbstverp­flichtung hingegen nicht nachge- kommen sein und hätten falsche Belege eingereich­t oder Beträge nicht komplett bezahlt. 1,4 Millionen Euro sollen auf diese Weise nicht in den Fonds, sondern in die eigenen Taschen der Parlamenta­rier geflossen sein. Die Grillini verteidige­n sich, indem sie darauf hinweisen, die anderen politische­n Kräfte behielten schließlic­h sämtliche Mittel der Parteienfi­nanzierung für sich und leiteten überhaupt nichts weiter. In den vergangene­n Umfragen, die zwei Wochen vor der Wahl veröffentl­icht wurden, liegen die Fünf-Sterne dennoch auf dem ersten Platz und können derzeit mit rund 27 Prozent der Stimmen rechnen. Obwohl sie damit stärkste Partei würden, ist nicht gesagt, dass Di Maio und Co. auch an der Bildung der nächsten italienisc­hen Regierung beteiligt sein werden.

Denn die Fünf-Sterne-Bewegung, die politisch weder links noch rechts einzuordne­n ist, schloss bislang Koalitione­n aus und präsentier­te sich als krasse Alternativ­e zu den herkömmlic­hen politische­n Kräften des Mitte-Rechts-Lagers um Ex-Premier Silvio Berlusconi oder den Sozialdemo­kraten von Parteichef Matteo Renzi.

Als ein Faktor bei diesem virtuellen Erfolg der Grillini galt bislang auch die Auswahl unabhängig­er Kandidaten, die teilweise durch besondere Leistungen von sich Reden gemacht haben. So kandidiere­n bekannte Journalist­en, ein Olympiasie­ger oder eben De Falco. Inzwischen deutet viel auf seinen eigenen Schiffbruc­h hin.

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FOTO: AFP Vom Helden der Costa Concordia zum Antihelden der italienisc­hen Fünf-Sterne-Bewegung? Kandidat und Kommandant Gregorio De Falco soll laut Aussage seiner Ehefrau ihr und den beiden Töchtern gegenüber gewalttäti­g geworden sein. Auch beruflich soll er ein...

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