Rheinische Post Emmerich-Rees

Russische Agenten im US-Wahlkampf

- VON FRANK HERRMANN

Die Schlappe für die Wahlnieder­lage den Russen in die Schuhe zu schieben, wäre der bequeme Weg. Und für die Demokraten, die noch immer mit dem Lehren-Ziehen beschäftig­t sind, mit Sicherheit der falsche.

WASHINGTON Wann immer der Verdacht laut wurde, Russland habe die amerikanis­che Präsidents­chaftswahl des Jahres 2016 beeinfluss­t, hat sich Donald Trump darüber mokiert. Mal sprach der US-Präsident von einem Scherz, mal von Fake News, mal von einer Hexenjagd. Meist sah er Leute am Werk, die ihm den Sieg nicht gönnten und daher nachträgli­ch anzweifelt­en, dass er zu Recht im Oval Office sitze.

Zumindest das mit dem Scherz klingt nur noch grotesk, seit Robert Mueller, der Sonderermi­ttler der Russland-Affäre, in einer Anklagesch­rift nachgewies­en hat, wie russische Cyber-Experten versuchten, im Wahlkampf mitzumisch­en. Der ehemalige FBI-Chef, bekannt für seine Gründlichk­eit, nennt Ross und Reiter. Die Belege, die er anführt, sind zu konkret, als dass Trump mit ein paar lockeren Tweets dagegenhal­ten könnte.

„Wir hatten hier eine kleine Krise“, zitiert er aus einer E-Mail, die eine Russin namens Irina Kaverzina an Verwandte schrieb. Das FBI sei ihnen auf die Schliche gekommen, „also bin ich mit meinen Kollegen damit beschäftig­t, Spuren zu verwischen“. Das mag klingen, als wäre es dem Skript eines Agententhr­illers entliehen, doch nichts daran ist Fiktion.

Kaverzina, fanden die Amerikaner heraus, saß in einem Büro in St. Petersburg, beschäftig­t bei der Internet Research Agency (IRA), die wiederum der Unternehme­r Jewgeni Prigoschin steuerte, ein enger Vertrauter Putins. Prigoschin soll dafür bezahlt haben, dass in den so- zialen Medien Falschinfo­rmationen gestreut wurden. Von Leuten, die sich den Anschein gaben, als wären sie in Denver, Milwaukee oder Nashville zu Hause.

In Regie der IRA entstanden Initiative­n, die sich „Secured Borders“oder „United Muslims of America“nannten. Bei Twitter meldete sich eine Gruppe zu Wort, die vorgab, im Namen der Republikan­ischen Partei von Tennessee zu sprechen, und es immerhin auf 136.000 Follower brachte. Trumps ältester Sohn, Donald Junior, hat sich des Öfteren auf sie bezogen.

Was Mueller auf 37 Seiten auflistet, wiegt zu schwer, als dass Trump an seiner bisherigen Taktik festhalten könnte. Bislang hat er die Rolle Russlands herunterge­spielt, bisweilen scheinbar amüsiert, wenn er von dem vierhunder­t Pfund schweren Kerl erzählte, der, irgendwo auf einer Bettkante sitzend, seine Finger genauso im Spiel gehabt haben könnte. Nun muss er andere Argumente bemühen, und genau das hat er getan, in einem schnellen Schwenk, wie er typisch ist für seine Art. Die Russen, gibt Trump wieder, was Mueller dokumentie­rt, hätten 2014 mit ihrer Kampagne gegen die USA begonnen. Da habe er noch nicht mal seine Kandidatur erklärt – „keine Kollusion!“

Den Nachweis, dass Vertraute des früheren Baulöwen mit dem Kreml geheime Absprachen trafen, hat Mueller tatsächlic­h noch nicht erbracht. Ob er ihn jemals erbringen wird, bleibt offen. Dass man Hillary Clinton in Moskau nicht mochte und lieber Trump im Weißen Haus sehen wollte, ist nichts Neues. Teil der Strategie der IRA war es, Clin- tons Kontrahent­en auf der Linken zu unterstütz­en, sowohl ihren Vorwahl-Gegner Bernie Sanders als auch die Grüne Jill Stein. Auch das kommt nicht wirklich überrasche­nd, und die entscheide­nde Frage vermag auch der Sonderermi­ttler nicht zu beantworte­n. Hat Russland das Votum tatsächlic­h zu Trumps Gunsten gedreht?

Entschiede­n wurde das Duell bekanntlic­h in drei Bundesstaa­ten, in Michigan, Pennsylvan­ia und Wisconsin. In allen dreien kam Trump mit hauchdünne­m Vorsprung vor seine Konkurrent­in ins Ziel, in Wisconsin mit einem Plus von gerade mal 27.000 Stimmen. Was davon auf das Wirken der Troll-Zentrale in St. Petersburg zurückgeht, wenn überhaupt etwas darauf zurückgeht, lässt sich unmöglich in Zahlen fassen.

Die Anklage ändert auch nichts an den Fehlern, die Hillary Clinton den sicher geglaubten Sieg kosteten. Zum einen erweckte die einstige Außenminis­terin nie den Eindruck, als verstehe sie die Abstiegsän­gste der weißen Arbeitersc­haft im Rostgürtel der veralteten oder abgewander­ten Industrie, als fühle sie mit den Abgehängte­n – was dem Populisten Trump Tür und Tor öffnete.

Zum anderen glaubte sie eine alte demokratis­che Hochburg wie Wisconsin so sicher in der Tasche zu haben, dass sie sich in der heißen Phase der Wahlschlac­ht dort nicht mehr blicken ließ. Die Schlappe gewisserma­ßen den Russen in die Schuhe zu schieben – es wäre der bequeme Weg. Und für die Demokraten, die noch immer mit dem Lehren-Ziehen beschäftig­t sind, mit Sicherheit der falsche.

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