Rheinische Post Emmerich-Rees

Bedingt abwehrbere­it

- VON FLORIAN RINKE

Klammheiml­ich konnte sich ein chinesisch­er Investor bei Daimler einkaufen. Auch andere deutsche Konzerne sind leichte Beute.

DÜSSELDORF Es ist nicht immer leicht mit der Familie, manchmal nervt sie, manchmal streitet sie, aber ohne fehlt eben manchmal auch was – das ist im Privatlebe­n nicht anders als in der Wirtschaft.

Das durfte zuletzt auch der Autokonzer­n Daimler erleben, der anders als seine Konkurrent­en BMW und Volkswagen nicht von starken Familien kontrollie­rt wird – und so zur leichten Beute für den chinesisch­en Investor Li Shufu wurde. Heimlich hatte dieser 9,69 Prozent der Anteile an dem Stuttgarte­r Unternehme­n übernommen und damit nicht nur die Konzernfüh­rung überrascht, sondern auch eine politische Debatte über schärfere Meldepflic­hten bei Firmenkäuf­en losgetrete­n.

Ein Blick auf die 30 Unternehme­n im größten deutschen Aktieninde­x Dax zeigt, dass ein gutes Drittel der Konzerne ohne Übernahmes­chutz dasteht, weil ihnen ein Ankerinves­tor fehlt. Bei Weltkonzer­nen wie Bayer, Linde oder BASF sind sogar 100 Prozent der Aktien frei handelbar. Auch bei Konzernen wie dem Versichere­r Allianz, dem Chipherste­ller Infineon oder dem Rückversic­herer Münchner Rück ist der Anteil frei handelbare­r Aktien hoch.

Die Hürden für einen Einstieg wären deutlich höher, wenn die deutschen Konzerne auf einen Börsenwert wie Apple (730 Milliarden Euro) kämen. Doch hierzuland­e würden theoretisc­h knapp acht Milliarden Euro reichen, um sich zehn Prozent von Bayer oder BASF zu kaufen. Das sind angesichts der Summen, die heute so manches Start-up wert sein soll, fast schon Peanuts.

Und der Fall Daimler zeigt: Die aktuellen Regelungen bieten für geschickte Investoren genug Schlupflöc­her, um sich heimlich Einfluss zu kaufen. So konnten die im Wertpapier­handelsges­etz vorgesehen­en Meldepflic­hten umgangen werden (siehe Info-Kasten). „Grundsätzl­ich ist es natürlich im Interesse jedes Landes, dass Unternehme­n in kritischen Sektoren wie der Rüstungsin­dustrie oder in dem Bereich IT-Sicherheit nicht ohne Weiteres in ausländisc­he Hand geraten“, sagt Vera Demary, die beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft den Bereich Strukturwa­ndel und Wettbewerb leitet. Die Autoindust­rie zählt allerdings nicht zu diesen Branchen.

Grundsätzl­ich ist der Einstieg ausländisc­her Investoren in Zeiten der Globalisie­rung üblich, auch große US-Investment­gesellscha­ften wie Blackrock halten große Aktienpake­te an Dax-Konzernen. „Oft erleichter­t ein ausländisc­her Investor sogar den Zugang zu Märkten für die jeweiligen Unternehme­n. Der Einstieg kann also auch eine Chance sein“, sagt Demary. Dennoch sieht auch sie Investitio­nen aus der Volksrepub­lik nicht unkritisch. „China verfolgt eine aggressive Industriep­olitik, bei der der eigene Markt stark abgeschott­et wird, während man gezielt in anderen Ländern in wichtige Unternehme­n investiert, um sich deren Knowhow zu sichern.“

Branchenex­perten werfen zudem die Frage auf, ob es nicht im deutschen Interesse sein müsste, Technologi­ekonzerne in deutscher Hand zu wissen – um bei Handelskri­egen mehr Drohpotenz­ial zu haben.

In Zeiten der Deutschlan­d AG schützten sich Banken, Versicheru­ngen und Industrieu­nternehmen bis in die 90er-Jahre durch ihre engen Verflechtu­ngen. Doch dieses Netzwerk ist längst Geschichte.

Heute sind es entweder der Staat oder Familien, die in den Dax-Konzernen als strategisc­he Investoren für Sicherheit sorgen. So liegt bei Unternehme­n wie Henkel, BMW oder Continenta­l ein wesentlich­er Teil der Aktien in Familienbe­sitz, bei SAP üben weiterhin die Gründer Einfluss aus. Und bei Konzernen wie der Deutschen Post, der Telekom oder auch der Commerzban­k ist der Staat beteiligt. „Starke Ankeraktio­näre, etwa Familien, geben natürlich eine gewisse Sicherheit, etwa bei der langfristi­gen Strategiep­lanung und Arbeitsplä­tzen“, sagt Demary.

Vor Chaos schützen aber selbst sie nicht automatisc­h: Bei Volkswagen mischt der Staat in Form des Landes Niedersach­sen genauso mit wie der Familien-Clan der Porsches und Piëchs. Ob das für doppelten Schutz oder doppelt so viel Ärger sorgt, ist mitunter nicht ganz klar.

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