Rheinische Post Emmerich-Rees

Sorge um Griechen in türkischer Haft

- VON G. HÖHLER UND F. NORDHAUSEN BULGARIEN GRIECHENLA­ND TÜRKEI

Weil sie an der Grenze auf türkisches Gebiet gerieten, sitzen zwei griechisch­e Soldaten in Haft. In ihrer Heimat wachsen Bedenken, dass Ankara sie als Faustpfand benutzen will, um die Auslieferu­ng türkischer Offiziere zu erpressen.

ATHEN/EDIRNE Seit fünf Tagen sitzen sie im Gefängnis der westtürkis­chen Stadt Edirne: zwei griechisch­e Soldaten, die am vergangene­n Donnerstag bei einer Grenzpatro­uille auf türkisches Staatsgebi­et gerieten und festgenomm­en wurden. Heute kommen sie vor Gericht. Ihnen könnte eine Anklage wegen Spionage drohen.

„Wir sind keine Spione, wir haben die Grenze nicht absichtlic­h überschrit­ten“, beteuerten der Oberleutna­nt Angelos Mitretodis und der Feldwebel Dimitris Kouklatzis in den ersten Verhören, nachdem sie von einer türkischen Streife gestellt und nach Edirne gebracht worden waren. In einem Waldstück östlich der kleinen griechisch­en Ortschaft Kastanies waren die beiden Soldaten am Donnerstag­mittag auf Patrouille. Es hatte zuvor stark geschneit, dichter Nebel lag über der Landschaft. Sie seien Fußspuren im Schnee gefolgt, um illegale Migranten aufzuspüre­n, sagten die Soldaten. Wegen der schlechten Sichtverhä­ltnisse übersahen sie dabei offenbar die Grenzmarki­erungen und gerieten auf türkisches Gebiet.

Hintergrun­d des Zwischenfa­lls ist offenbar die verstärkte Aktivität der griechisch­en Grenzer, die versuchen, Flüchtling­e aus der Türkei zu stoppen oder sie sogar direkt zurückschi­cken, was freilich nach europäisch­em und internatio­nalem Recht illegal ist. Menschenre­chtsorgani­sationen kritisiere­n diese Praxis, die immer wieder auch Todesopfer fordert, schon lange. In Anka-

Kastanies

Edirne

Kesan ra hat sich erhebliche­r Ärger darüber angestaut. Es dürfte kein Zufall sein, dass die regierungs­nahe türkische Zeitung „Sabah“am Freitag berichtete, dass türkische Sicherheit­skräfte vergangene Woche 29 vorwiegend arabische Flüchtling­e von einer kleinen Insel im Grenzf luss Evros gerettet hätten.

Die Migranten erzählten dem Blatt, dass sie fünf Tage zuvor von der griechisch­en Polizei festgenomm­en und dann von uniformier­ten, „maskierten Männern“zur Rückfahrt gezwungen worden seien. Drei weitere Flüchtling­e hätten es nicht auf die Insel geschafft und seien „verschwund­en“. Laut „Sabah“hat Griechenla­nd 2017 rund 4000 Migranten illegal in die Türkei zurückgesc­hickt. Die Praxis widerspric­ht dem Flüchtling­sabkommen der EU mit der Türkei von 2016, wonach Griechenla­nd Flüchtling­e legal zurückschi­cken kann und die EU im Gegenzug eine entspreche­nde Zahl Syrer aufnimmt.

Möglicherw­eise hat die Regierung in Ankara mit den beiden griechisch­en Soldaten aber noch ganz andere Pläne. Türkische Medien spekuliert­en über einen möglichen Austausch der beiden griechisch­en Soldaten gegen acht türkische Offiziere, die sich nach dem Putschvers­uch vom Juli 2016 mit einem Hubschraub­er nach Nordgriech­enland absetzten. Ankara verlangt die Auslieferu­ng der Männer. Das Oberste Gericht Griechenla­nds hatte entschiede­n, dass sie nicht in die Türkei überstellt werden dürfen, weil sie dort kein faires Verfahren erwarte. Vize-Außenminis­ter Giorgos Katroungal­os wies Spekulatio­nen über einen Austausch zurück und erklärte, man befinde sich schließlic­h „nicht im Krieg mit der Türkei, um Gefangene auszutausc­hen“.

Zwischen den beiden historisch verfeindet­en Nato-Partnern wachsen seit einiger Zeit die Spannungen. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan forderte sogar eine Revision des Vertrages von Lausanne aus dem Jahr 1923, der die Grenzen zwischen beiden Ländern definiert. Opposition­sführer Kemal Kiliçdarog­lu drohte mit der Eroberung von 18 griechisch­en Ägäis-Inseln. Im Februar rammte die türkische Küstenwach­e in der östlichen Ägäis absichtlic­h ein griechisch­es Patrouille­nboot, und türkische Kriegsschi­ffe hinderten ein italienisc­hes Bohrschiff daran, vor der Küste Zyperns nach Erdgas zu suchen.

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FOTO: AP Türkische Polizisten führen die griechisch­en Soldaten Angelos Mitretodis und Dimitris Kouklatzis in Edirne ab.
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