Rheinische Post Emmerich-Rees

AfD will Anhänger zu Schöffen machen

- VON CLEMENS BOISSERÉE

Rechtspopu­listen verbinden damit die Hoffnung, mehr Einfluss auf Strafverfa­hren nehmen zu können.

KÖLN Die NPD will „rechtsstaa­tliche Verhältnis­se wiederhers­tellen“, die Kölner AfD ruft dazu auf, „für Gerechtigk­eit in Strafproze­ssen“zu sorgen, und in Dresden fordert Mitte Februar ein „Pegida“-Redner, die „Ideologie der Altparteie­n“zu brechen. Verbunden sind all diese Wünsche mit der Aufforderu­ng an die eigenen Anhänger, sich als Schöffe zu bewerben.

Zum 1. Januar 2019 werden bundesweit Zehntausen­de dieser Laienricht­er gesucht. Allein in NRW steigt dann die Zahl der ehrenamtli­ch Rechtsprec­henden von 15.000 auf über 17.000 an – ein Großteil der bisherigen Amtsinhabe­r scheidet dann aus. Um ihre Posten neu zu besetzen, suchen die Städte mindestens doppelt so viele Bewerber, aus denen die benötigten Schöffen ausgewählt werden.

Doch die Suche nach Freiwillig­en ist ein zähes Unterfange­n, auch wenn aktive Schöffen mittlerwei­le bis zu drei Amtszeiten (15 Jahre) aktiv sein dürfen. In Düsseldorf sind beispielsw­eise bislang erst 858 Be- werbungen eingegange­n, 1848 Interessie­rte werden gesucht. In Essen kommen bislang gerade mal 500 Freiwillig­e auf 2000 Posten. „Nach dem ersten Schwung nahm die Zahl der Bewerbunge­n relativ stark ab“, sagt Stadtsprec­herin Jasmin Trilling. Ähnlich sieht die Situation in Duisburg aus, in Köln werden Bürger in den kommenden Wochen gezielt angeschrie­ben, auch hier fehlen noch rund zwei Drittel der gesuchten Bewerber.

Hilfe kommt nun vor allem aus dem politisch rechten Lager. Aus deren Aufrufen wird die Hoffnung deutlich, künftig in Strafverfa­hren Einfluss nehmen zu können. Die Chance dazu wäre – insbesonde­re vor den Amtsgerich­ten – theoretisc­h vorhanden: Hier bilden in der Regel zwei Schöffen und ein Richter ein Team, alle sind bei der Urteilsent­scheidung gleichbere­chtigt. Anders als bei größeren Verfahren vor den Landgerich­ten könnten Schöffen so eine Mehrheit bilden, denn in der höheren Instanz werden den beiden Schöffen bis zu drei Richter an die Seite gestellt.

„Ich sehe dennoch keine Chance für eine erfolgreic­he Kampagne von rechts“, erklärt Ursula Sens. Sie ist seit über 20 Jahren Vorsitzend­e des Landesverb­ands ehrenamtli­cher Richter in NRW, Aufrufe wie jetzt von „Pegida“oder NPD sind ihr nicht neu. „So etwas gab es auch vor fünf Jahren schon, unserer Erfahrung nach hatten die Aufrufe kaum Auswirkung­en.“

Ein mehrschrit­tiges Auswahlver­fahren soll das Rechtssyst­em vor solchen Kampagnen schützen, dabei sind die Kontrollen jedoch zunächst oberflächl­ich. Bewerben kann sich jeder deutsche Staatsbürg­er an seinem Wohnsitz. „Die zuständige Kommunalve­rwaltung prüft anschließe­nd nur die objektiven Voraussetz­ungen für das Schöffenam­t“, sagt Johannes Dünner vom Rechtsamt der Stadt Köln, das heißt: Wohnort und Alter. Weder Parteimitg­liedschaft­en der Bewerber noch deren Äußerungen in den sozialen Netzwerken werden geprüft.

Aus dem Verfahren fliegt im weiteren Vorlauf allerdings, gegen wen aktuell ermittelt wird oder wer schon zu einer Freiheitss­trafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde. Außerdem dürfen Bewerber nicht gegen die Grundsätze der Rechtsstaa­tlichkeit oder Menschlich­keit verstoßen. Um dies zu kontrollie­ren, wird eine Bewerberli­ste zunächst vom Rat der jeweiligen Gemeinde mit einer Zwei-DrittelMeh­rheit verabschie­det. „Wer in den kleineren Gemeinden als Reichsbürg­er oder Ausländerf­eind bekannt ist, hat wenig Chancen“, sagt Ursula Sens.

Im Anschluss werden letztlich die vor Gericht benötigte Anzahl an Schöffen von einem Wahlaussch­uss der Gerichte ausgewählt. Zahlen, wie viele Bewerber aus den genannten Gründen dabei abgelehnt werden, gibt es nicht. Die angefragte­n Städte in NRW bestreiten jedoch einen erkennbar hohen Anteil.

Die Suche nach Schöffen ist für die Städte ein zähes Unterfange­n – Köln will Bürger gezielt

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