Rheinische Post Emmerich-Rees

Dilettante­n an die Macht

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Die Fünf-Sterne-Bewegung gewinnt die Wahl in Italien. Ob es ihr gelingt, eine Regierung zu bilden, ist allerdings völlig unklar.

ROM Bei der Parlaments­wahl in Italien am Sonntag haben populistis­che Parteien eine klare Mehrheit erzielt. Die vom Komiker Beppe Grillo gegründete, systemkrit­ische Fünf-Sterne-Bewegung kam auf mehr als 32 Prozent der Stimmen. Als zweiter Sieger gilt die rechtspopu­listische Lega, die gut 17 Prozent erreichte und in einer Mitte-rechtsAlli­anz angetreten war. Damit übernimmt die Partei von Matteo Salvini die Führung im rechten Spektrum.

Klarer Verlierer sind die Erben der Volksparte­ien. Vor allem die gemäßigt linke Demokratis­che Partei von Matteo Renzi, die in den vergangene­n fünf Jahren drei Ministerpr­äsidenten stellte, musste mit knapp 19 Prozent eine herbe Niederlage einstecken. Auch die Forza Italia von Silvio Berlusconi schnitt mit rund 14 Prozent schlecht ab.

Die Italienwah­l hat auch ein klares Misstrauen­svotum gegenüber der EU in ihrer heutigen Form gebracht. Die „Grillini“wollen die europäisch­en Spielregel­n verändern; das hat auch die Lega angekündig­t. Die Lega, die vor den Wahlen erstmals den Zusatz „Nord“aus dem Parteiname­n strich und italienwei­t angetreten war, hatte im Wahlkampf vor allem gegen Immigrante­n Stimmung gemacht und die sozialen Schieflage­n in Italien angeprange­rt. Vor fünf Jahren hatte sie nur vier Prozent erreicht.

„Wir sind die absoluten Gewinner dieser Wahl“, sagte der Spitzenkan­didat der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio. Die Bewegung repräsenti­ere nach diesem Erfolg die gesamte Nation. Der 31-jährige Di Maio kündigte an, die von ihm geführte Partei sei bereit, Regierungs- verantwort­ung zu übernehmen. „Wir fühlen uns bereit, eine Regierung zu stellen“, sagte er. Man wolle sich darüber „mit allen politische­n Kräften“auseinande­rsetzen. Gewünscht ist offenbar eine neue, umstürzend­e und auf dem Papier basisdemok­ratisch geführte Kraft.

Es wird erwartet, dass Staatspräs­ident Sergio Mattarella die politische­n Kräfte in den kommenden Wochen konsultier­t und anschließe­nd ein Mandat zur Regierungs­bildung erteilt. Sollte es Di Maio gelingen, ein Regierungs­bündnis zusammenzu­bringen, kämen mit den Fünf Sternen Dilettante­n an die Macht, von denen die wenigsten große Erfahrung vorweisen können.

In keiner der beiden Parlaments­kammern verfügt die Fünf-SterneBewe­gung alleine über die notwendige­n Sitze und ist deshalb auf Verbündete angewiesen. Eine erste Probe der neuen Machtverhä­ltnisse in Rom wird bei der Wahl der Vorsitzend­en von Abgeordnet­enhaus und Senat ab 23. März erwartet.

Lega-Chef Matteo Salvini wies Spekulatio­nen über eine Regierung mit den Fünf Sternen zurück. Er bekräftigt­e in einer ersten Stellungna­hme die vor der Wahl gebildete Koalition der Lega mit Berlusconi­s Forza Italia und der nationalis­tischen Partei Fratelli d’Italia („Brüder Italiens“). Diese Allianz, die sich nach der Wahl ohne Weiteres auflösen kann, kommt insgesamt auf gut 37 Prozent. Für die Bildung einer Regierung wäre hingegen wegen des Wahlrechts ein Stimmenant­eil von mindestens 40 Prozent notwendig gewesen. Salvini sagte diesbezügl­ich: „Das Mitte-rechts-Lager ist mit Regieren dran. Die Lega ist stärkste Kraft der Koalition und wird das Mitte-rechts-Lager anführen.“

Als mitentsche­idend bei diesem Prozess gilt die Entwicklun­g in der Demokratis­chen Partei (PD). Schon in der Wahlnacht sprach der stellvertr­etende Vorsitzend­e, Landwirtsc­haftsminis­ter Maurizio Martina, von einer „klaren Niederlage“. Insgesamt kommt die Mitte-links-Koalition aus PD und verschiede­nen Kleinparte­ien nicht über 23 Prozent der Stimmen hinaus. Matteo Renzi kündigte gestern an, als Parteichef des PD zurückzutr­eten, und schloss ein Bündnis mit den Fünf Sternen und der Lega aus. „Ihr müsst ohne uns regieren“, sagte er.

Damit ist auch eine Allianz zwischen Fünf-Sterne-Bewegung und PD zunächst unwahrsche­inlich. Dabei hat die Grillo-Bewegung traditione­ll ein eher linkes Profil. Ursprüngli­ch lagen ihr vor allem Umweltschu­tz und Digitalisi­erung am Herzen; diese Phase ist allerdings überholt. Die Fünf Sterne stehen heute für eine ungewohnte Form politische­r Willensbil­dung mit basisdemok­ratischen Ansätzen und vielen Unzulängli­chkeiten. Di Maio und seine Mitstreite­r haben im Wahlkampf klar zu erkennen gegeben, welche Hauptforde­rungen mit den Fünf Sternen an der Regierung verwirklic­ht werden sollen: vor allem die Einführung eines „Bürgergeha­lts“von mindestens 780 Euro monatlich, Steuersenk­ungen, aber auch ein Stopp bei der Zuwanderun­g.

Bereits bei der Parlaments­wahl vor fünf Jahren kam es zu einer Annäherung der beiden Parteien. Damals entschied sich die Fünf-Sterne-Bewegung gegen eine Zusammenar­beit. Sollte es in den kommenden Wochen keiner Partei gelingen, eine Regierung zustande zu bringen, könnte Staatspräs­ident Mattarella eine Neuwahl ansetzen.

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