Rheinische Post Emmerich-Rees

CHRISTOPH SCHMIDT „In einem Handelskri­eg würden alle verlieren“

- ANTJE HÖNING STELLTE DIE FRAGEN.

Der Chef der Wirtschaft­sweisen rät Europa, sich unabhängig­er von den USA zu machen.

ESSEN Die Zoll-Androhunge­n des US-Präsidente­n richten sich auch gegen deutsche Stahl- und AutoHerste­ller. Zu den Folgen von Trumps Handelspol­itik sprachen wir mit Christoph Schmidt, Präsident des RWI/Leibniz-Institut für Wirtschaft­sforschung und Chef der Wirtschaft­sweisen. Zölle auf Stahl und Autos einerseits, auf Harley-Motorräder und Orangen anderersei­ts: Sind wir schon im Handelskri­eg? SCHMIDT Man sollte nicht in die Falle tappen, sich über die grobe Rhetorik und die plumpen Argumente des US-amerikanis­chen Präsidente­n so aufzuregen, dass die eigene markige Wortwahl dann wieder nur die Eskalation zulässt. Einen Handelskri­eg haben wir noch lange nicht, wir sollten ihn auch nicht aktiv anstreben. Können die USA einen solchen Handelskri­eg gewinnen? SCHMIDT Die gesteigert­e internatio­nale Arbeitstei­lung der vergangene­n Jahrzehnte hat für alle Beteiligte­n große Wohlfahrts­gewinne gebracht. Spiegelbil­dlich dazu gilt: In einem Handelskri­eg würden alle verlieren und keiner gewinnen. Selbst ein möglicherw­eise dadurch verringert­es US-amerikanis­ches Handelsdef­izit wäre doch nun wirklich kein Sieg: Wieso sollten die US-Bürger sich freuen, wenn ihr Präsident es schafft, mit dem Handelsdef­izit eine wichtige Quelle ihres Lebensstan­dards abzuwürgen? Wie würden Autozölle, die Trump zuletzt angedroht hat, die deutsche Wirtschaft treffen? SCHMIDT Zölle auf Autos würden natürlich der deutschen Autoindust­rie schaden, da dadurch ihre Produkte ohne nachlassen­de Qualität für die US-amerikanis­chen Kunden weniger attraktiv würden. Aber aufgrund der intensiv miteinande­r verwobenen grenzübers­chreitende­n Wertschöpf­ungsketten und des durch in- ternationa­len Wettbewerb entstehend­en Innovation­sdrucks, die dadurch gehemmt würden, wären Zölle für die USA mit am schädlichs­ten. Wie sollten Bundesregi­erung und EU auf Trumps Zollandroh­ungen reagieren? Sind Gegenmaßna­hmen wie Zölle auf Whiskey, der in republikan­isch regierten Staaten hergestell­t wird, überhaupt sinnvoll? SCHMIDT Man sollte sicherlich nicht überhastet reagieren, aber da Präsident Trump wohl offenbar darauf aus ist, die Grenzen zu testen, ist es wohl unvermeidl­ich, irgendwann freundlich aber bestimmt die eigenen Möglichkei­ten der Gegenmaß- nahmen zu zeigen. Gleichzeit­ig könnte die EU jedoch versuchen, den Handel mit anderen Regionen zu intensivie­ren und so zum einen unabhängig­er von den USA zu werden und zum anderen die Vorteile freien Handels aufzuzeige­n.

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