Rheinische Post Emmerich-Rees

Angeklagte­r fürchtet Stimmenver­gleich

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Verfahren vor dem Landgerich­t in Kleve. 48 Jahre alter Türke aus Emmerich soll in Drogengesc­häfte in großem Stil verwickelt sein. Fahnder hörten ihn ab. Deshalb vermutlich sagte er gestern kein Wort im Gerichtssa­al.

EMMERICH/KLEVE (dau) Die abgehörten Telefonate erweckten den Eindruck, dass zwei Großhändle­r in regem geschäftli­chen Kontakt miteinande­r standen. Mal war von Fleisch die Rede, dann wieder tauschten sich die beiden Männer über Lieferunge­n von Waschmitte­ln aus, in einem weiteren Gespräch sollte eine größere Menge Brot den Besitzer wechseln. Nicht ganz in das Bild passt allerdings die Tatsache, dass die Fahrten mit der Ware in den Telefonate­n als „Bestattung­en“bezeichnet wurden. Es gab offenbar viele Todesfälle in Hannover-Langenhage­n, die viele Fahrten erforderli­ch machten.

„Die konspirati­ve Vorgehensw­eise war äußerst gut“, sagte ein als Zeuge geladener Zollfahnde­r im Saal A 105 des Landgerich­ts Kleve in der Schwanenbu­rg. Dort versucht die 1. große Strafkamme­r unter Vorsitz von Richter Jürgen Ruby seit Montag zu klären, ob diese Telefonate tatsächlic­h das waren, was die Staatsanwa­ltschaft dem angeklagte­n 48 Jahre alten Türken unterstell­t – die Abwicklung von Drogengesc­häften in großem Stil. „Einfuhr und Handel von Betäubungs­mitteln in nicht geringen Mengen“heißt das Delikt, dem Mann droht im Falle einer Verurteilu­ng eine mehrjährig­e Haftstrafe.

Der Angeklagte entschied sich zum Prozessauf­takt, nichts zu sagen. Er sagte nicht einmal „Nein, ich sage nichts“, sondern schwieg und äußerte sich lediglich durch Kopfnicken. Der Grund dafür liegt offen- bar in der gründliche­n Telefonübe­rwachung durch die Ermittler.

Es ist anzunehmen, dass im Laufe der Verhandlun­g reichlich Aufnahmen der Geschäftsv­erhandlung­en vorgespiel­t werden – und vermutlich werden die beiden Verteidige­r des 48-Jährigen Zweifel daran zu säen versuchen, dass diese Aufnahmen tatsächlic­h die Stimme ihres Mandanten wiedergebe­n. Da ist es natürlich taktisch klug, den Mann lieber nicht zu Wort kommen zu lassen.

Ein so genannter „Quellenver­merk“, also die Aussage eines VMannes oder eines verdeckten Ermittlers, hatte die Fahnder Mitte 2016 auf die Spur des Emmericher­s gebracht. Der Vermerk enthielt ein Foto des Mannes, ein Autokennze­i- chen sowie den Hinweis, die abgebildet­e Person sei ein „Händler im mehrstelli­gen Kilobereic­h“. Der Fahnder, der gestern als erster Zeuge über seine Ermittlung­en berichtete, startete eine kleine Observatio­n und stellte fest, dass der Mann als erstes eine Adresse in Arnheim ansteuerte, unter der auch ein CoffeeShop betrieben wurde.

Die Ermittlung­en wurden intensivie­rt, das Fahrzeug des Mannes erhielt einen Peilsender, und das Mobiltelef­on wurde abgehört. Das Bewegungsm­uster war für den Fahnder „auffällig“, es gab lange Fahrten nach Langenhage­n, dort aber jeweils nur Aufenthalt­e von höchstens einer Stunde. Als eine weitere Fahrt nach Norddeutsc­hland anstand, entschloss­en sich die Ermitt- ler zum Zugriff. Bei der versuchten Festnahme flüchtete der Kurier, baute dann auf der Autobahn einen Unfall und rannte zu Fuß weg. Der Kofferraum des Autos war randvoll mit Marihuana, 21,3 Kilogramm brachte der Stoff auf die Waage.

Daraufhin setzen die Beamten die verdeckte Fahndung gegen den mutmaßlich­en Hintermann fort. Acht Wochen nach der gescheiter­ten Lieferung startete ein neuer Kurier Richtung Hannover – der allerdings fand den Zielort nicht und rief direkt bei dem Emmericher an, der ihn zum Ziel lotste. Dieses Gespräch war für die Fahnder die gesuchte direkte Verbindung zwischen Hintermann, Kurier und Abnehmer. Einige Zeit später erfolgte die Verhaftung des Mannes.

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