Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Welt wartet auf Deutschlan­d

- VON EVA QUADBECK

Niemand hat diese große Koalition gewollt. Mit dem knappen Wahlergebn­is für Merkel ist offensicht­lich: Groß ist diese Koalition nicht, und die Gegner in den eigenen Reihen sind mit der Neuauflage des Regierungs­bündnisses längst nicht versöhnt. Dennoch ist damit zu rechnen, dass die Koalition die volle Wahlperiod­e hält. Sie ist ein glanzloser Pakt der Vernunft, ein Bündnis der Staatsrais­on, die Groko ist politische­s Schwarzbro­t. Immerhin.

Nachdem die Regierung also mühsam aus den Startlöche­rn gekommen ist, wird sie nun Tempo aufnehmen müssen. Hoffentlic­h haben alle Beteiligte­n aus dem komplizier­ten Wahlergebn­is und der schwierige­n Koalitions­findung etwas gelernt. Das formelhaft­e „Wir haben verstanden“muss nun durch konkrete Politik eingelöst werden.

Die neue Regierung kann die Probleme nicht mehr auf die lange Bank schieben. Es braucht endlich ein umfassende­s Konzept für die Digitalisi­erung öffentlich­er Einrichtun­gen, die Versorgung aller Bürger mit schnellem Internet und gerechte Steuerzahl­ungen durch die großen internatio­nalen Internet-Konzerne wie Google, Amazon und Facebook. Es bedarf auch dringend einer Antwort auf die rasant steigende Zahl von Pflegebedü­rftigen, die in personell unterbeset­zten Heimen und von überforder­ten Angehörige­n versorgt werden müssen. In Fragen von Flüchtling­spolitik, Integratio­n und Bleiberech­t brauchen wir keine neuen Gesetze – aber einen konsequent­eren Vollzug als bisher. Dazu Wohnungsno­t, Angst vor Altersarmu­t, marode Schulen, Landflucht – die To-doListe dieser Bundesregi­erung ist lang. Fangt an!

Internatio­nal muss Deutschlan­d auf die Bühne zurückkehr­en. Der französisc­he Präsident wartet seit Monaten auf eine Antwort zu seinen Vorschläge­n für eine Erneuerung der Europäisch­en Union. Deutschlan­d wird zudem als Stimme der Vernunft zwischen einem irrlichter­nden US-Präsidente­n und einem offen aggressiv agierenden Russland gebraucht. Auch die Initiative zur internatio­nalen Bekämpfung von Fluchtursa­chen benötigt neue Impulse.

Ob es Union und SPD gelingt, das viel beschworen­e Vertrauen der Bürger zurückzuge­winnen, werden die nächsten Landtagswa­hlen zeigen. Die ersten Stimmungst­ests gibt es im Herbst in Bayern und in Hessen. 2019 folgt die Nagelprobe mit der Europawahl und den Wahlen in drei ostdeutsch­en Ländern. Das kann nur gut gehen, wenn Union und SPD bis dahin den Beweis erbracht haben, dass sie die Probleme der Bürger lösen. Ansonsten wird man sich zumindest im Osten auf eine Volksparte­i AfD einstellen müssen. BERICHT

Newspapers in German

Newspapers from Germany