Rheinische Post Emmerich-Rees

Der Landrat schlägt zurück

- ANJA SETTNIK

Michael Heinricks von den freien Wählern sprach aus, was sich vermutlich einige Kreistagsm­itglieder dachten: Selten oder nie habe man den Landrat so leidenscha­ftlich reden hören, „und diese Rede hätte ich mir schon viel früher gewünscht!“Tatsächlic­h erlebten die Fraktionsv­ertreter am Donnerstag­abend im Kreistag, als es um die Ausländerb­ehörde ging, mal nicht (nur) den Verwaltung­schef, der nach Recht und Gesetz handelt und nüchterne Fakten darstellt, sondern einen politische­n Landrat, der Stellung bezog, sich wehrte, zurückschl­ug, auch schon mal polemisier­te. Das wird manchen Grünen, Sozialdemo­kraten oder Liberalen geärgert haben, aber immerhin bestand mal die Chance, sich aneinander auszutoben. Wolfgang Spreen war anzumerken, dass ihn die Situation sehr beschäftig­t. Vehement wehrte er sich gegen Begriffe wie „Chaos“oder „Schikane“, stellte sich vor seine Leute, redete nicht klein, sondern offenbarte das Problem in seiner ganzen Tragweite.

Allerdings wird vom Behördench­ef eine Lösung erwartet, und die scheint noch weit weg. Wer sich mit dem Arbeitsmar­kt am Niederrhei­n beschäftig­t und sich wegen fehlender Ärzte und Fachkräfte in fast allen Branchen sorgt, der wird dem Chef der Kreisverwa­ltung abnehmen, dass er trotz Bemühungen keine zusätzlich­en Mitarbeite­r für das als schwierig geltende Amt findet. Dies schlicht zu konstatier­en bringt aber nicht weiter. Und neben Beispielen dafür, dass Ausländerä­mter vor lauter Arbeit in die Knie gehen, gibt es eben auch Beispiele dafür, dass eine Behörde mit den Herausford­erungen zurechtkom­mt. Im Kreis Wesel etwa scheint das so zu sein. Vielleicht könnte man die Nachbarn mal um Rat bitten?

Allein schon das Eingeständ­nis, einfach mal nicht klarzukomm­en mit einer Lage, dürfte dem Landrat einige Sympathiep­unkte eingebrach­t haben. Wenn Politiker (und vor allem ihre Wähler) Offenheit und Transparen­z einfordern, dann kann eben auch passieren, dass sie mal Zeugen einer unbefriedi­genden Situation werden.

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