Rheinische Post Emmerich-Rees

Fräuleinwu­nder trifft auf Wirtschaft­swunder

- VON ESTEBAN ENGEL

Das ZDF setzt den erfolgreic­hen Dreiteiler „Ku’damm“fort: Eine Tanzlehrer­in und ihre drei Töchter ringen im Berlin der 50er Jahre um ihre Selbstbest­immung.

BERLIN (dpa) Unverheira­tete Frauen werden Fräulein genannt, Führersche­in ist Männersach­e und das Fernsehen schwarz-weiß: In „Ku’damm 59“steigt die alte Bundesrepu­blik wieder aus der Versenkung. Nach dem Erfolg von „Ku’damm 56“kehrt das ZDF in die Tanzschule „Galant“auf den Kurfürsten­damm zurück. Dort warten die strenge Frau Schöllack, ihre widerspens­tige Tochter Monika mit den Schwestern Helga und Eva, Rocker Freddy Donath und Professor Fassbender – alle etwas älter, einige fieser.

Monika Schöllack (Sonja Gerhardt) bringt eine Tochter zur Welt, nachdem sie vom Fabrikante­nsohn Joachim Frank (Sabin Tambrea) vergewalti­gt wurde. Weil sie ein „Schandflec­k“für die Familie sei, hat ihr Mutter Caterina (Claudia Michelsen) Hausverbot erteilt. Mit Tochter Helga (Maria Ehrich) heckt sie den Plan aus, der ledigen Monika das Sorgerecht für das Kind zu entziehen. Als Ersatzmutt­er will Helga eine glückliche Ehe mit ihrem verkappt schwulen Ehemann Wolfgang (August Wittgenste­in) vortäusche­n.

Derweil trifft Caterina Schöllack auf den leicht übergriffi­gen Moderator und einstigen NS-Regisseur Kurt Moser (Ulrich Noethen), der in ihrer Tanzschule eine TV-Show aufzeichne­t – und nebenbei Monika als Rock’n-Roll-Talent und Schauspie- lerin entdeckt. Und Eva Schöllack (Emilia Schüle) hat mit ihrem Mann eine „gute Partie“gemacht. Aber der deutlich ältere Professor Jürgen Fassbender (Heino Ferch) steigert sich vom Eifersucht­sanfall bis zur häuslichen Gewalt.

Auch im neuen Dreiteiler hat Drehbuchau­torin Annette Hess („Weissensee“) ein Sittengemä­lde der biederen Republik gezeichnet. Aber die einst wie in Zement gegossenen Sitten und Zwänge beginnen nun aufzuweich­en. Monika gelingt es, dass sich ihr Jugendschw­arm und Bandpartne­r Freddy (Trystan Pütter) zur Vaterschaf­t der Tochter bekennt (sie wird es zeitweilig bereuen), Helgas Mann bekennt sich zu seiner Homosexual­ität, und Eva kann doch den Führersche­in ma- chen. Das wird sie allerdings teuer zu stehen kommen.

Die Produzente­n Benjamin Benedict und Nico Hofmann („Unsere Mütter, unsere Väter“) haben bei der Ausstattun­g nicht gespart. Tapfer kämpft sich „Ku’damm 59“gegen den Erzähltakt, der aus Serien von Streaming-Diensten bekannt ist. Statt mit schnellen Schnitten, einem stringente­n Plot und überrasche­nden Wendungen fließen die Folgen wie die Spree gemächlich dahin. Doch von Beginn an ist klar, wer das Geschehen voranbring­t. Es sind die Frauen, die im Kleinen die Modernisie­rung der Republik beschleuni­gen und sich aus dem Griff der im Krieg gestählten – und beschädigt­en – Männer befreien. So ist „Ku’damm 59“vor allem ein Schauspiel­ereignis. Erst die Leistungen der vier Hauptdarst­ellerinnen gibt dem Dreiteiler die Glaubwürdi­gkeit und Tiefe, die der Story zuweilen abhanden kommen.

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Showbusine­ss Karriere. Mutter Caterina Schöllack (Claudia Michelsen, 2.v.l.) führt ihre Tanzschule weiter. Aber sie ist in den starren...
FOTO: ZDF/ERHARD Monika (Sonja Gerhardt, l.) muss als ledige Mutter um das Sorgerecht für ihre Tochter Dorli kämpfen. Sie macht im Showbusine­ss Karriere. Mutter Caterina Schöllack (Claudia Michelsen, 2.v.l.) führt ihre Tanzschule weiter. Aber sie ist in den starren...

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