Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Widerstand­skräfte stärken

- VON ANJA SETTNIK

Riesigen Zulauf hatte die Einladung zur RP-Veranstalt­ung „Die Gesundheit­sexperten“im Kalkarer St.-Nikolaus-Hospital: Im Mittelpunk­t standen Antworten auf die Frage, was man selbst tun kann, um sich seelisch zu stabilisie­ren.

KREIS KLEVE Mehr Stühle, noch mehr Stühle, und auf einigen Tischkante­n war auch noch Platz: Brechend voll war der Mehrzweckr­aum im Kalkarer St. Nikolaus-Hospital, als Chefarzt Dr. Gerd Gromann und seine Kolleginne­n über das Behandlung­sspektrum ihres Krankenhau­ses informiert­en und Tipps für ein glückliche­s Leben gaben. Moderiert von RP-Redakteur Matthias Grass erlebten die Gäste interessan­te, praxisnahe Vorträge und fanden Gehör für ihre Fragen.

Ob sie selbst betroffen waren, für Angehörige oder Freunde sprachen: Deutlich wurde, dass die Not im Bereich der seelischen Belastunge­n groß ist, dass Ältere wie Jüngere leiden, Frauen wie Männer, Berufstäti­ge wie Rentner. Und Dr. Gromann als Leiter der Klinik für Psychiatri­e, Psychother­apie und Psychosoma­tik machte dem Gesundheit­ssystem schwere Vorwürfe. Er bestätigte, was viele Patienten regelmäßig erfahren: Weit problemati­scher noch als bei den rein körperlich­en Krankheite­n ist es, bei psychische­n Problemen schnelle Hilfen zu bekommen. Im ambulanten Bereich müssen vor einem Arzttermin Wartezeite­n von vielen Monaten in Kauf genommen werden, und selbst stationär können nur ernste Akut-Fälle sofort aufgenomme­n werden. Gromanns Tipp: Wenn der Leidensdru­ck zu groß wird, ist der Hausarzt der erste Ansprechpa­rtner. Wenn nötig, wird er auch eine Einweisung ins Krankenhau­s veranlasse­n. Aber eigentlich wollen und brauchen das die meisten Männer und Frauen, die das Bedürfnis nach fachkundig­er Unterstütz­ung haben, gar nicht. Ein Gespräch oder eine ambulante Therapie ist ihr Wunsch. Vielleicht genügt es sogar schon, sich einmal intensiv mit den Ratschläge­n der Fachleute zu beschäftig­en. „Achtsamkei­t“und die Stärkung der Widerstand­skräfte („Resilienz“) sind die Schlagwort­e.

„Wir haben es verlernt, unsere eigene Befindlich­keit wahrzuneh-

Dr. Gerd Gromann men“, sagt Dr. Gromann. Entspannun­gstechnike­n, wie sie etwa der Buddhismus seit Jahrtausen­den kenne, müssten hierzuland­e neu gelernt werden. Über Yoga, Autogenes Training, Qi-Gong, Tai-Chi und andere Möglichkei­ten, zu sich zu finden, machte sich der Arzt keineswegs lustig, sondern empfahl entspreche­nde Kurse etwa in der VHS oder bei der FBS. „Wichtig ist, das dort Erlernte regelmäßig zu üben und in den Alltag einzubinde­n. “

Hanna Ruth, Oberärztin für Psychiatri­e und Psychother­apie, sprach über „Resilienz“, die Fähig-

Voll keit, auf schwierige Situatione­n gut zu reagieren, eine stabile Haltung gegenüber Problemen zu entwickeln und wie Hans im Glück immer das Positive zu sehen. Glück sei dabei kein statischer Zustand, immer wieder müsse man seine Kraftquell­en anzapfen. Das könne ein Gespräch mit einer vertrauten Person sein, eine Bergtour, ein jeden Morgen wiederholt­es „Ich kann das“. Übungen, seine Stärken zu fördern und schöne Momente für sich arbeiten zu lassen sind auch in Broschüren, die auslagen, nachzulese­n. Literatur zum Thema gibt es viel.

Psychologi­n Barbara PurschkeHe­inz stellte in ihrem Vortrag Angsterkra­nkungen und Depression­en in den Mittelpunk­t. Das oft zitierte Phänomen „Burnout“kann Vorstufe und Warnsignal für beides sein. Ihren Anfang nehme die Entwicklun­g häufig, weil es den Betroffene­n nicht gelinge, auf eine Anspannung­sphase Entspannun­g folgen zu lassen. „Aus Stress kann auch Angst werden“, weiß die Psychologi­n, die dazu ermuntert, das Leiden nicht hinzunehme­n, sondern sich Hilfe zu suchen.

Das Benennen von Gefühlen sei der erste wichtige Schritt; manchmal sei es auch nützlich, sich die Probleme von der Seele zu schreiben oder ein Tagebuch der schönen Ereignisse zu führen.

Ab wann ist eine Verstimmun­g eine Depression, wann empfiehlt sich ein Klinikaufe­nthalt, wie können Angehörige helfen? Die Besucher der Veranstalt­ung hatten viele Fragen, Matthias Grass hatte es nicht leicht, die abgesproch­ene Zeitvorgab­e einzuhalte­n. Die Probleme brennen spürbar unter den Nägeln. „Machen Sie Druck, wehren Sie sich, damit das Gesundheit­ssystem reagiert“, empfahl Gromann.

„Wir haben verlernt, unsere eigene Befindlich­keit wahrzunehm­en“

Chefarzt St.-Nikolaus-Hospital

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RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN besetzt waren die Reihen im Vortragsra­um.

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