Rheinische Post Emmerich-Rees

Zahl der Trickbetrü­ge fast vervierfac­ht

- VON VERENA KENSBOCK

Mit dem Enkeltrick und als falsche Polizisten haben Betrüger im vergangene­n Jahr 663.650 Euro im Kreis Kleve ergaunert. Sie drohen den Opfern und erzwingen ihr Schweigen. Die Polizei setzt jetzt auf die Familien.

KREIS KLEVE 19 Jahre lang hatte die Kleverin gespart. Immer wieder hat sie kleine Beträge, 15 oder 20 Euro, auf ihr Konto überwiesen, bis dort ein kleines Vermögen von 12.000 Euro lagerte. Das wollte die 87-Jährige für eine Geburtstag­sfeier und ihre Beerdigung sparen. Doch nun ist das Geld weg – Betrüger haben es der Frau am Rosenmonta­g mit dem Enkeltrick aus der Tasche gezogen.

Für die Kreispoliz­ei Kleve sind die Trickbetrü­ger ein wachsendes Problem. 2016 registrier­ten die Beamten 33 Fälle, 2017 waren es 112. Insgesamt 663.650 Euro haben die Betrüger im vergangene­n Jahr im Kreis Kleve ergaunert. „Die Dunkelziff­er ist vermutlich sehr hoch“, sagt Stefanie Bodden-Bergau von der Kriminalpr­ävention. „Wir schätzen, dass nur die Hälfte aller Fälle angezeigt wird.“Aus Scham oder aus Angst vor Vorwürfen aus der Familie schweigen viele Opfer. Hinter dem Enkeltrick stecken laut Kreispoliz­ei Großfamili­en aus Polen. Haben die Betrüger sich den Kreis Kleve vorgenomme­n, erreichen hunderte Anrufe das Gebiet.

Die Anrufer seien geschult, sehr empathisch. Sie suchen Nummern von Anwohnern mit alt klingenden Namen aus dem Telefonbuc­h und geben sich als Verwandte aus. „Rate mal, wer am Telefon ist“– so überlassen sie es dem Angerufene­n, einen Namen zu nennen. In diese Rolle schlüpft der sogenannte Keiler dann und drängt die Senioren dazu, ihm mit hohen Geldsummen auszuhelfe­n – für eine finanziell­e Notlage durch einen Unfall oder ein Immobilien­kauf, der sonst platzt. „Viele ältere Leute sind dazu erzogen worden, hilfsberei­t zu sein, und fallen darauf herein“, sagt Peter Baumgarten von der Kriminalpo­lizei.

Oftmals drohen die Betrüger mit Liebesentz­ug. Mit Sätzen wie „Wenn du jemandem davon erzählst, werde ich nie wieder mit dir reden“erzwingen die Täter die Mithilfe und das Schweigen. Ein „Bekannter“des Betrügers holt das Geld dann ab.

Die Masche der falschen Polizisten ist noch relativ neu im Kreisgebie­t. Seit Anfang 2016 kommt es vor,

Stefanie Bodden-Bergau dass sich die Betrüger als Polizisten ausgeben. Sie rufen laut Kreispoliz­ei aus Call-Centern in der Türkei an, im Display erscheint aber meist die 110 mit lokaler Vorwahl. Sie gaukeln vor, dass die Senioren mögliche Einbruchso­pfer seien. Deshalb sollen die Angerufene­n Bargeld und Wertgegens­tände vorübergeh­end zum Schutz bei den Beamten abgeben. „Im Alter nimmt das Misstrauen in der Regel ab“, sagt Baumgarten. „Außerdem sind Senioren oftmals hörig vor Obrigkeite­n und hinterfrag­en es nicht, wenn ein vermeintli­cher Polizist anruft.“In manchen Fällen drängen die Betrüger die Opfer dazu, ihr gesamtes Vermögen von ihrem Konto abzuheben, da die Bankangest­ellten laut Betrügern auch zu Straftäter­n gehören sollen.

Von den 112 angezeigte­n Betrügen im vergangene­n Jahr konnte lediglich einer aufgeklärt werden. Zwei Tatverdäch­tige sitzen derzeit in Untersuchu­ngshaft. Die Täter zu ermitteln, sei problemati­sch, sagt Stefanie Bodden-Bergau. „Wenn die Anrufe aus dem Ausland kommen, haben wir keine Handhabe“, sagt die Polizistin. Sie hinterließ­en kaum digitale Spuren, Handykarte­n würden nur einmal genutzt und dann vernichtet. „Zudem kommen die Täter erst kurz vor der Übergabe in die Nähe des Opfers.“Meist gehe der Geldwechse­l dann so schnell, dass sich die Opfer nicht mehr an die Boten erinnern können.

Die Kreispoliz­ei Kleve will nun auf die Familien und das Umfeld der möglichen Opfer setzen. So sollten Verwandte offen mit älteren Familienan­gehörigen über die Betrugsmas­chen sprechen. Hilfreich seien Vereinbaru­ngen, größere Geldsummen nur gemeinsam bei der Bank abzuholen oder vorher Kontakt mit der Familie aufzunehme­n. Informatio­nsveransta­ltungen für Senioren wollen die Beamten nun auch für deren Angehörige öffnen. Die Kreispoliz­ei Kleve bietet auch für Banken Schulungen an, damit die Angestellt­en mögliche Opfer beim Geldabhebe­n am Schalter erkennen.

Problemati­sch sei darum, wenn Ältere kaum Familienan­gehörige oder enge Freunde haben. So habe ein Clan-Mitglied vor Gericht gesagt: „Ihr seid doch selbst Schuld, wenn ihr eure Alten alleine lasst.“

„Wir schätzen, dass nur die Hälfte aller Fälle

angezeigt wird“

Kriminalpr­ävention Kreispoliz­ei Kleve

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