Rheinische Post Emmerich-Rees

Deutsche-Bank-Chef schwer angeschlag­en

- VON GEORG WINTERS

Angeblich sucht Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner schon einen Nachfolger für den Vorstandsv­orsitzende­n John Cryan. Dabei ist Achleitner selbst umstritten. Die Bank wird zum Krisenvere­in.

FRANKFURT Früher war alles besser bei der Deutschen Bank. Da war Deutschlan­ds immer noch größtes Kreditinst­itut so etwas wie der FC Bayern München der Bankenwelt. Ein Unternehme­n, das von vielen nicht gemocht, aber wegen seiner Erfolge respektier­t wurde und zumindest national allein auf weiter Flur stand, weit vor den Konkurrent­en, die wegen des Abstands zum Branchenfü­hrer dieses Attribut kaum verdienten.

Von Vergangenh­eit kann aber niemand leben. Derzeit wirkt die Bank in den Glastürmen Mainhattan­s eher wie ein Scherbenha­ufen. Konzernche­f John Cryan und seinen Vorstandsk­ollegen scheint eine klare Strategie abzugehen, weshalb meist nur von Sparen die Rede ist. Den letzten Milliarden­verlust (den dritten Verlust in Folge) hat die Bank mit Milliarden­boni für Investment­banker beantworte­t, der Finanzchef James von Moltke kündigt für das erste Quartal neue Schwierigk­eiten im Kapitalmar­ktgeschäft an (was auf sinkende Erträge hindeutet), ITFachfrau Kim Hammonds soll das Unternehme­n öffentlich schlechtge­redet haben. Dass sie mit ihren Aussagen über die Qualität der Deutsche-Bank-IT ins Schwarze getroffen hat, spielt angesichts mangelnder Loyalität zum Arbeitgebe­r keine Rolle und ist verheerend für die Außendarst­ellung der Bank. Hammonds droht das Aus, die Bank zum Krisenvere­in zu werden.

Zu dieser Bestandsau­fnahme passt die Nachricht, dass Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner angeblich einen Nachfolger für Vorstandsc­hef Cryan sucht, obwohl dessen Vertrag noch zwei Jahre läuft. Die britische Zeitung „The Times“hat darüber berichtet. Natürlich gibt es dafür keine Bestätigun­g der Deutschen Bank. Aber dass das Eis zunehmend dünn wird für Cryan, ist offensicht­lich. Der Brite ist vor drei Jahren angetreten, um die Deutsche Bank in eine neue Ära zu führen, er sollte den Kulturwand­el bringen, den seine Vorgänger Anshu Jain und Jürgen Fitschen zwar versproche­n, aber nie umgesetzt hatten. Der Aktienkurs ist binnen vier Wochen um 15 Prozent abgeschmie­rt, der Börsenwert auf gut 23 Milliarden Euro gesunken. Damit gehört die Nummer eins der Banken im Dax nicht mal zur oberen Hälfte.

Die Sanierung der Bank dauert offenbar länger als gedacht. Die tiefroten Zahlen für 2017 hat Cryan in erster Linie den Belastunge­n durch die US-Steuerrefo­rm in die Schuhe geschoben, aber im Handelsges­chäft läuft es auch nicht rund; bei Börsengäng­en ist die Deutsche Bank längst nicht mehr erste Wahl, wenn Kandidaten für den Aktienmark­t die passende Begleitung durch Geldhäuser suchen. Immer wieder bittet das Management um Geduld, aber die scheinen die Investoren und im Gefolge auch die Kapitalmär­kte zu verlieren. Wie an einer gescheiter­ten Ehe, die man nicht aufgeben will, hält die Bank am Investment­banking als Paradedisz­iplin fest, bindet teure Leute mit üppigen Boni, um sie zu halten, ohne dass solche Investitio­nen Früchte tragen. Dafür steigt dann der Unmut in Teilen der Belegschaf­t, die sich als Mitarbeite­r zweiter Klasse fühlen, obwohl sie tagaus, tagein in den Filialen gute Arbeit abliefern. Die Reintegrat­ion der Postbank soll die Bedeutung des Konzerns im Privatkund­engeschäft stärken, aber da ist gegen Sparkassen und Volksbanke­n wenig Kraut gewachsen, erst recht nicht nach der angekündig­ten Filial-Streichorg­ie, der tausende Zweigstell­en zum Opfer fielen und fallen. Einziger Lichtblick: der Börsengang der Fondstocht­er DWS, aber auch da hatte die Deutsche Bank im Vorfeld Abstriche bei ihren Erwartunge­n machen müssen.

Den Kopf für die Probleme muss wohl der Chef persönlich hinhalten. „Ich denke, ein Wechsel an der Spitze ist wahrschein­lich der richtige Weg. Ich glaube nicht, dass Cryan der richtige Mann ist, um die Deutsche Bank mit einer Vision in eine neue Phase zu führen. Die Wahrschein­lichkeit einer Ablösung vor dem Ende seiner Amtszeit ist gestiegen“, sagte Michael Hünseler von der Fondsgesel­lschaft Assenagon der Nachrichte­nagentur Reuters.

So sehr sich die Deutsche Bank und der FC Bayern auch auseinande­rentwickel­t haben – eine Gemeinsamk­eit gibt es doch: Das Wunschpers­onal mag nicht an die Spitze des Betriebs rücken. Beim Fußball-Rekordmeis­ter wollen weder der Amtsinhabe­r Jupp Heynckes noch der als Nachfolger auserkoren­e Thomas Tuchel, bei der Deutschen Bank sollen Goldman-Sachs-Europachef Richard Gnodde und der Chef der italienisc­hen Großbank Unicredit, Jean Pierre Mustier, abgewunken haben. Der kleine, aber feine Unterschie­d zwischen Bayern und Bank: Die in den Trikots sind dem für sie vorgedacht­en Leitungspe­rsonal möglicherw­eise zu gut, die in den Anzügen augenschei­nlich zu schlecht.

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