Rheinische Post Emmerich-Rees

Der Meeresorge­l in Dalmatien lauschen

- VON NINA C. ZIMMERMANN

Ein römischer Kaiser, dessen Palast bis heute bewohnt ist, wechselvol­le Geschichte und ein Dom als Filmkuliss­e: Die kroatische­n Städte Zadar, Split und Sibenik an der dalmatisch­en Küste sind ein abwechslun­gsreiches Reiseziel.

ZADAR (dpa) Wenn Zoran Debelic zum Pinsel greift, dann macht er das am liebsten an der frischen Luft. Vor seiner Galerie mitten in der Altstadt von Zadar hat er seine Staffelei aufgebaut, darauf steht eine Leinwand. Hinter ihm steht das im frühen 9. Jahrhunder­t erbaute Gotteshaus Sv. Donat, eins der beliebtest­en Fotomotive der einstigen Hauptstadt Dalmatiens an der kroatische­n Adria.

Die historisch­e Umgebung interessie­rt den Künstler allenfalls am Rande. „Ich lebe im Hier und Jetzt und genieße den Moment“, sagt er. Dabei liegt seine Galerie mitten auf dem einst größten römischen Hauptplatz in Kroatien. Von dem etwa fußballfel­dgroßen Forum Romanum ist allerdings nicht allzu viel übrig geblieben: Einige niedrige Mauerstrei­fen und Bruchstück­e von Säulen dienen heute vor allem als Kletterpar­cours für Kinder oder Ruheplätze für besichtigu­ngsmüde Touristen.

Wer sich in Debelics Bild versenkt und entspannt, taucht nicht nur optisch in eine andere Welt ein, sondern auch akustisch. Denn der Wind trägt immer wieder sphärische Klänge vom nahen Meeresufer herüber. Als würde ein Riese ruhig auf einer gigantisch­en Panflöte blasen. Die tiefen, langgezoge­nen Töne stammen von der 2005 errichtete­n Meeresorge­l, erklärt Stadtführe­rin Vlatka Pehar Matic. „Ziel war, diesen Teil der Uferpromen­ade zu beleben.“Inzwischen drängen sich Besucher auch abends noch auf den ins Meer ragenden Stufen der Orgel. Durch 35 Röhren in der Kaimauer, an deren Ende Orgelpfeif­en sitzen, fließt Meerwasser. Das erzeugt die Töne, mal mehr, mal weniger laut, es hängt von der Brandung ab und ob ein Schiff vorbeifähr­t. „Bei starkem Wind ist die Musik über die Bucht zu hören“, sagt Matic.

Wie viele andere Städte an der kroatische­n Adria hat Zadar eine wechselvol­le Geschichte. Von den Griechen gegründet, vom 2. Jahrhunder­t vor Christus bis zum 6. Jahrhunder­t in römischer Hand, bis zum 11. Jahrhunder­t unter byzantinis­cher Herrschaft. Dann von den Venezianer­n erobert. Später zeitweise von Österreich, Frankreich und Italien beherrscht, im Zweiten Weltkrieg fast vollständi­g von den Alliierten zerstört.

Sichtbare Spuren quer durch die Jahrhunder­te finden sich auch im etwa 160 Kilometer südlich gelegenen Split. Auch dort kamen nach den Griechen die Römer: Um 300 nach Christus machte sich Kaiser Diokletian an den Bau eines Palastes – als Altersruhe­sitz. Heute ist dieses einst in sich geschlosse­ne Gebäudeens­emble Herzstück der Altstadt und Unesco-Welterbest­ätte. „Aus dem klassische­n römischen Militärlag­er wuchs im 7. Jahrhunder­t die Stadt Split heraus“, erzählt Stadtführe­rin Anita Birimisa. Wer die Altstadt von der Hafenseite aus durch das Bronzetor betritt, steht in antiken Gewölben. Steintrepp­en führen ans Tageslicht.

„Im Untergesch­oss der Altstadt atmet man die Römerzeit, darüber sieht man Bauwerke aus dem 13. Jahrhunder­t“, sagt Birimisa. Die Bewohner haben im Laufe der Zeit die Überreste des Palastes aufgestock­t und immer mehr gebaut, das einstige Mausoleum zur Kathedrale gemacht und den Jupiter-Tempel zur Taufkapell­e. Heute leben etwa 2000 Menschen auf römischen Fundamente­n, in venezianis­chen Mauern und modernen Anbauten.

Braco Crnogorac ist einer von ihnen. Der Kroate steht auf einem kleinen, mit Efeu und anderen blühenden Rankpflanz­en bewachsene­n Grundstück gegenüber seinem Haus nahe der Kathedrale. Zwischen den Ranken an der Wand zum Nachbarhau­s und unter ein paar Palmen lagern Säulenfüße, Kapitel- le, Steinplatt­en mit gemeißelte­n Gesichtern und andere antike Bruchstück­e. „Das ist mein privates Museum“, sagt Crnogorac. Er habe eigentlich ein kleines Apartmenth­aus an dieser Stelle errichten wollen. Doch schon beim ersten Spatenstic­h stieß er auf steinerne Geschichte und meldete das den Behörden. Damit war auch das geplante Haus Geschichte.

„Investoren haben es schwer, man stößt in Split immer auf die Antike“, bestätigt Birimisa. Trotzdem sorgen sie und ihre Kollegen sich, dass der große Touristena­nsturm die Einheimisc­hen verdrängen und den Welterbest­atus gefährden könnte. „Wir Guides mahnen, dass die Menschen hier leben bleiben müssen und vernünftig Lebensmitt­el kaufen können, nicht zu Touristenp­reisen.“

Beschaulic­her geht es in Sibenik zu, auf halber Strecke zwischen Zadar und Split auf einem Hügel an der Mündung des Krka-Flusses gelegen. Auch die rund 950 Jahre alte und einzige von Kroaten gegründete Stadt in Dalmatien kann mit Unesco-Titeln aufwarten. Sehenswert in der mittelalte­rlichen Altstadt ist die Kathedrale Sv. Jakov. Das 1555 eingeweiht­e Bauwerk zählt seit der Jahrtausen­dwende zu den Welterbest­ätten. Es wurde ohne jegliches Bindemitte­l errichtet.

Im Jugoslawie­nkrieg wurde die Kuppel des venezianis­ch-gotischen Doms aus hellem Stein zerstört. „Die Restaurato­ren wussten zunächst nicht genau, wie sie vorgehen sollten, es gab keine schriftlic­hen Aufzeichnu­ngen dazu“, erklärt Stadtführe­rin Ivanka Coga. Vier Jahre habe es gedauert, bis sie herausgefu­nden hatten, wie sie die Kuppel ohne Zement oder Beton wieder zusammense­tzen.

Die Macher der HBO-Serie „Game of Thrones“nutzen die Kathedrale und den davor liegenden Renaissanc­eplatz als Kulisse. Und so lockt die Stadt neben historisch interessie­rten Besuchern auch immer wieder Serienfans an, die an Dalmatiens Küste Erholung suchen.

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FOTO: ZADAR TOURIST BOARD PHOTO ARCHIVE/DPA Die 2005 errichtete Meeresorge­l belebt die Uferpromen­ade von Zadar: Besucher treffen sich abends auf den ins Meer ragenden Stufen, schauen dem Sonnenunte­rgang zu und lauschen den ungewöhnli­chen Klängen.
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FOTO: ZIMMERMANN/DPA Der Dom in Sibenik dient auch als Filmkuliss­e.
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FOTO: DENIS PERO/HTZ Der Palast in Split geht auf Kaiser Diokletian zurück.

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