Rheinische Post Emmerich-Rees

Ziemlich beste Freunde

- VON ANTJE SEEMANN

Stanley und Trödel sind ein ungleiches Paar. Stanley ist ein energiegel­adener Bordeaux-Boxer-Mix, Trödel eine blinde Stockente. Die beiden wohnen bei Silvia Feuchthofe­n aus Mehr, die dort eine kleine Auffangsta­tion für Wildtiere hat.

MEHR Wenn der Frühling kommt, hat Silvia Feuchthofe­n aus Mehr alle Hände voll zu tun. In ihrer kleinen privaten Auffangsta­tion kümmert sie sich besonders dann um verletzte und verwaiste Tierbabys. Junge Igel, die es ohne sie nicht schaffen würden, versorgt sie ebenso wie verloren gegangene Eichhörnch­enbabys, die noch die Flasche brauchen. „Angefangen hat alles mit einem Wildvogel, der Hilfe brauchte“, erzählt sie. Seitdem wohnen ständig hilfebedür­ftige Tiere im Garten der Feuchthofe­ns.

Die tierliebe 52-Jährige ist außerdem Frauchen des Bordeaux-BoxerMisch­lings Stanley. Der kennt die Besucher im Garten schon, seitdem er ein Welpe war. Normalerwe­ise bleiben die Wildtiere nur, bis sie groß und kräftig genug sind, um in der Natur zu überleben. Manchmal bleiben sie aber auch – wie die einst verletzte Taube, die sich ihr Zuhause jetzt bei Silvia Feuchthofe­n im Garten eingericht­et hat. Oder Trödel, der Entenerpel, der seit beinahe einem Jahr von der Mehrerin versorgt wird und der sich mit ihrem Hund angefreund­et hat.

Trödel und Stanley schmusen, schlafen gemeinsam im Hundebett, auf dem Sofa im Wohnzimmer oder auf dem Teppichbod­en und spielen zusammen. Besonders gerne hat Trödel es, wenn er sich auf Stanley stellen darf. Dann ist er ganz ruhig, hebt seinen Schnabel hoch und genießt einfach. So sieht es zumindest aus.

Die Freundscha­ft ist eine unwahrsche­inliche. Trödel ist blind zu Welt gekommen. Er orientiert sich, indem er seinen Schnabel fast immer am Boden hat, so dass man denken könnte, er benutzt ihn als eine Art Blindensto­ck. Stimmen scheint er zu erkennen. Und er scheint auch zu merken, wenn sein Kumpel Stanley in der Nähe ist.

Der Start ins Leben war für Trödel nicht einfach. Er schlüpft vergangene­s Frühjahr mit seinen Stockenten­geschwiste­rn, muss kurz danach aber samt Mama umgesiedel­t wer- den. Als die Helfer später noch mal nach dem Rechten sehen, sind Entenmutte­r und Geschwiste­r weg, nur Trödel sitzt allein und orientieru­ngslos noch an der Stelle, wo er hingebrach­t wurde. Die Helfer denken zuerst, das Entenküken hat „ge- trödelt“– also dass es zu langsam war. So kommt es zu seinem Namen.

Und weil Trödel als verlassene­s kleines Küken nicht überlebt hätte, kommt er zu Silvia Feuchthofe­n. Sie nimmt sich auch Trödel an, außer- dem zieht sie zu der Zeit noch zwei andere Entenküken groß. Diese beiden machen sich gut, fressen und wachsen, und fliegen schließlic­h zurück ins Freie, als sie groß genug sind. Nur Trödel bleibt wieder zurück. Video von Stanley und Trödel: www.rp-online.de/emmerich

Inzwischen weiß Silvia Feuchthofe­n, dass Trödel nicht einfach langsam ist, sondern blind. In der freien Natur ein Todesurtei­l für eine Ente.

Schon als Küken sucht Trödel Kontakt zu dem Hund, klettert auf ihn, putzt ihn und kuschelt sich bei ihm an. Stanley lässt sich alles gefallen. Wenn Stanley ausgepower­t vom Spielen mit seinen Hunde-Kollegen oder Gassigehen mit Frauchen kommt, legt er sich zu seiner Ente und die beiden verschnauf­en eine Runde.

„Er muss so ein bisschen betüddelt werden. Weil die anderen Wildvögel Trödel wegen seiner Behinderun­g ausgrenzen, haben wir ihn morgens und abends ins Haus geholt. Damit er nicht alleine ist und Kontakt hat“, sagt Feuchthofe­n. Er bekommt eine kleine Decke als Boden und einen Orientieru­ngsring.

Manche Leute würden vorschlage­n, das Tier doch besser zu erlösen. Das aber kommt für die Pflege-Enten-Mutter nicht in Frage. „Ich kann ihn ja nicht fragen, was er will. So scheint er aber zurechtzuk­ommen. Und alleine ist er ja auch nicht. Er hat ja uns und den Hund.“Tatsächlic­h scheint der Erpel ganz zufrieden, wenn er eine Schüssel mit Salat und Mehrwürmer­n – seiner Lieblingss­peise – bekommt und danach eine Runde mit Stanley kuscheln darf. Außerdem hat Silvia Feuchthofe­n eine besondere Aufgabe für ihren Trödel, wenn im Frühling neue verwaiste oder verletzte Entenküken in ihre Auffangsta­tion kommen. „Ich will versuchen, ihn als Pflegevate­r für die Küken einzusetze­n. So ein Küken kann nicht alleine sein. Die haben ja panische Angst, weil sie verlassen sind von der Mutter.“Und diese Rolle soll Trödel übernehmen. Solange noch keine Küken da sind, kümmert sich Stanley um seinen Enten-Kumpel.

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