Rheinische Post Emmerich-Rees

NRW-Justiz soll vom Brexit profitiere­n

- VON THOMAS REISENER

Minister Biesenbach will große Wirtschaft­skammern an den Oberlandes­gerichten.

DÜSSELDORF NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) sieht in dem Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union eine einmalige Chance für die Justiz im Land. „Mein Ziel ist, die nordrheinw­estfälisch­e Justiz so aufzustell­en, dass wir Gerichtsst­andort Nummer eins für große internatio­nale Wirtschaft­sstreitigk­eiten werden“, erklärte Biesenbach gestern.

Das bisher auf diesem Gebiet führende London werde mit dem Brexit für solche Verfahren deutlich an Attraktivi­tät verlieren, weil damit auch eine weniger enge Bindung an europäisch­e Rechtsnorm­en einhergehe. An den drei Oberlandes­gerichten in Köln, Düsseldorf und Hamm will Biesenbach deshalb die Neugrün- dung von großen Wirtschaft­skammern („Commercial Courts“) vorantreib­en, flankiert von weiteren Kompetenzz­entren an den Landgerich­ten. Die Spezialisi­erung der staatliche­n Experten auf Themen wie Fusionen oder Unternehme­nsaufkäufe sei notwendig, um auf Augenhöhe mit den hoch spezialisi­erten Anwälten der Wirtschaft verhandeln zu können.

Die Etablierun­g des Landes als herausrage­nder Gerichtsst­andort für große Wirtschaft­sprozesse sei nicht nur ein erstrebens­werter Leistungsb­eweis für die NRW-Justiz. Wegen der Größenordn­ungen der Prozesse sei auch mit erhebliche­n wirtschaft­lichen Effekten für das Land zu rechnen. Experten verweisen zum Beispiel auf das immense Auftragsvo­lumen für Anwälte, das mit solchen Prozessen einhergehe. Von den 890 großen Wirtschaft­sverfahren, die 2015 in London verhandelt wurden, hatten 20 einen Streitwert von mehr als 100 Millionen Pfund (114 Millionen Euro).

Für die Umsetzung seines Plans muss Biesenbach allerdings noch mehrere juristisch­e Voraussetz­ungen schaffen, für die er bei der Justizmini­sterkonfer­enz im Juni werben will. Besonders heikel: Für Biesenbach­s Plan müsste Englisch als Gerichtssp­rache vor deutschen Gerichten akzeptiert werden. Personalpr­obleme sieht der Minister nicht. Er sei überzeugt, dass es genug fähige Richter in NRW gebe, die aus dem Stand auch in englischer Sprache verhandeln könnten. Viele der NRW-Richter hätten in England oder den USA studiert.

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