Rheinische Post Emmerich-Rees

Enkelin und Opa züchten Kaninchen

- VON SEBASTIAN DALKOWSKI

Dietrich Waldow kümmert sich seit 50 Jahren um seine Tiere. Bevor er aufhört, gibt der Mönchengla­dbacher das Wissen an seine Enkelin weiter. Doch sie ist eine Ausnahme – Jugendlich­e interessie­ren sich kaum noch für Kaninchenz­ucht.

MÖNCHENGLA­DBACH Das Alaska-Kaninchen hat den unpassends­ten Namen der Welt. Es ist völlig schwarz. Findet Dietrich Waldow auch nur ein weißes Haar, dann zieht er es heraus. Denn wenn die Preisricht­er das weiße Haar sehen, ziehen sie Punkte ab. Das kann der Mönchengla­dbacher sich nicht erlauben. Der Name Waldow hat Klang unter Kaninchenz­üchtern. Fünf Mal Landesmeis­ter im Rheinland. 1993 Bundessieg­er in Essen. Waldow ist 82, er muss manchmal länger nachdenken, aber solche Dinge weiß er sofort.

Waldow war schon ein erwachsene­r Mann, als ihn ein FußballFre­und mit zu einer Kaninchena­usstellung nahm. Schon war es um ihn geschehen. Warum genau, das kann er wie viele Menschen, die eine Leidenscha­ft hegen, nur unzureiche­nd begründen. Er spricht von Tierliebe, vom Fell, von der Form, aber Fell und Form haben auch andere Tiere – der Rest ist, was man nicht beschreibe­n kann. Zu Beginn züchtete er noch weiße Kaninchen. Sein Sohn stieg ein, doch als der zur Bundeswehr musste, hatte er keine Zeit mehr. Sein Vater übernahm die Alaska-Kaninchen. Der Sohn beschäftig­t sich heute lieber mit Pferden und Treckern. Waldow aber züchtete weiter, jeden Tag nach der Arbeit verbrachte er ein bis drei Stunden Zeit mit den Alaska-Kaninchen. Sie gelten als ruhig. Ruhiger als Waldow, der im Fußballsta­dion gerne mal aufspringt.

Viele Jahre sollten vergehen, bis er jemanden finden würde, dem er sein Wissen überlassen konnte: Ramona Waldhausen, seine Enkelin. Doch sie ist eine Ausnahme. Zwar steht auf der Webseite des Zentralver­bands Deutscher Rasse-Kaninchenz­üchter (ZDRK) „Rassekanin­chenzucht – Brücke der Generation­en“. Aber der Verband hat mit Nachwuchss­orgen zu kämpfen. Knapp 118.000 Mitglieder hat er noch. Pro Jahr schrumpft die Zahl um 3000 bis 5000 Mitglieder. Im Landesverb­and Rheinland sind es noch knapp 2600, darunter 180 Kinder und Jugendlich­e. Ganz früher waren Kaninchen noch wichtig, damit überhaupt mal Fleisch auf den Tisch kam, heute ist es reines Hobby. „Jugendlich­e haben ein riesengroß­es Freizeitan­gebot“, sagt Wolfgang Elias, Referent für Öffentlich­keitsarbei­t im ZDRK, „viele hören in der Pubertät auf.“Andere Mitglie- der sterben oder werden zu alt, Vereine lösen sich auf.

Dabei sieht Elias viele Vorteile in der Zucht. Kinder lernen früh, Verantwort­ung zu übernehmen. Für Erwachsene ist das Hobby ein Ausgleich zum stressigen Beruf. Altes Brot muss nicht mehr in den Müll. Der Verband wirbt in Schulen und Kindergärt­en, kämpft mit seinem angestaubt­en Image. Eines, das auch teilweise selbstvers­chuldet ist. Im Präsidium sitzt genau eine Frau – die ist zuständig für die Handarbeit­s- und Kreativgru­ppen, in denen Frauen aus Kaninchenf­ell und Angorawoll­e Decken und Kissen machen. Wenn Mitglieder davon reden, Kaninchen „dem Verzehr zuzuführen“, ist das keine Sprache, die junge Leute anspricht.

Drei Mitglieder hatte Waldows Verein noch, als der Klub sich auflöste. Er kam beim R187 Giesenkirc­hen unter, das R steht für Rheinland. „Es wird immer weniger, da kannst du dich auf den Kopf stellen“, sagt er. Der beste Weg, Nachwuchs für die Zucht zu begeistern, ist es immer noch, es ihnen vorzule- ben. „Bei mir hat es angefangen, weil Opa das mit so viel Hingabe machte“, sagt Ramona Waldhausen, 25. Sie wuchs ein paar Häuser weiter auf, begleitete die Großeltern früh auf Ausstellun­gen und fing in ihrer Jugend selbst an zu züchten. „Ich wollte auf den Ausstellun­gen nicht immer sagen: Die sind von Opa.“

Doch sie hatte von klein auf auch ein Pferd, musste Abi und Ausbildung schaffen – und hatte keine Zeit mehr für die Kaninchen. Im Gegensatz zu ihrem Vater kehrte sie aber zurück. Sie ist verheirate­t, Mutter einer kleinen Tochter, hat mittlerwei­le neben dem Pferd noch vier Ponys. Aber als sie häufiger die Urlaubsver­tretung für Opa machte, bekam sie wieder Lust. Noch wachsen die Kaninchen im Stall des Großvaters auf. Sie wohnt fünf Autominute­n entfernt, aber wenn sie nach der Arbeit nach den Tieren sieht, hat Dietrich Waldow diese häufig schon gefüttert. Weil er auf feste Uhrzeiten schwört. Fährt er in den Urlaub, erklärt er ihr Tage vorher, wie die Tiere gefüttert werden müssen. „Und wenn er dann weg ist, liegt ein Zettel im Stall“, sagt Waldhausen. Sie lernt von ihm, wie man die Krallen schneidet, wie Kaninchen für Preisricht­er sitzen müssen, wie schwer sie sein dürfen. Jede der knapp 100 Rassen hat eigene Schönheits­ideale, die sich alle paar Jahre ändern.

Ramona Waldhausen sagt das nicht so offen, aber sie tut das nicht nur für sich, sie tut es auch für ihren Großvater. Früher hatte er 60 Tiere, mittlerwei­le sind es knapp 15. Fährt Waldow zu Ausstellun­gen, sitzt mittlerwei­le seine 79-jährige Frau am Steuer. Dass Ramona Waldhausen ebenfalls ihre Tiere ausstellen möchte, hat auch damit zu tun, dass ihre Großeltern dann nicht alleine fahren. Um Kaninchen muss man sich täglich kümmern, sie füttern, sie rausnehmen, damit sie später mal keine Angst haben, wenn der Preisricht­er sie anfasst. Das ist viel Arbeit. Waldhausen kann sich vorstellen, die Ställe irgendwann in den eigenen Garten zu setzen. Waldow sagt: „Wir möchten nicht ohne Kaninchen sein.“Waldhausen ergänzt: „Solange Oma und Opa da sind, bleiben die Kaninchen bei ihnen.“

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FOTO: DETLEF ILGNER Ramona Waldhausen (25) mit einem Zwergwidde­r und ihr Großvater Dietrich Waldow (82), der ein Alaska-Kaninchen in den Händen hält.

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