Rheinische Post Emmerich-Rees

Schicksals­wochen für die Stahlindus­trie

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Im April entscheide­t sich, ob die Ausnahmen von den US-Zöllen für die EU bestehen bleiben. Mit Importquot­en rechnet der deutsche Stahlverba­nd aber in jedem Fall. Die Auswirkung­en für die Branche sind gravierend.

DÜSSELDORF Für die deutsche Stahlindus­trie und den internatio­nalen Handel wird der April zum Schicksals­monat. „Im Stahlstrei­t um USZölle liegt Sprengkraf­t für das gesamte Welthandel­ssystem“, sagte gestern Martin Theuringer, Geschäftsf­ührer der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl. Die vorläufige Ausnahme der EU von den geplanten Strafzölle­n bis zum 1. Mai verschaffe der Stahlindus­trie nur eine Atempause. „EU-Kommission und Bundesregi­erung müssen nun alle politische­n Möglichkei­ten ausschöpfe­n, um die USA dauerhaft von solchen Maßnahmen abzubringe­n“, forderte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident des Wirtschaft­sverbandes.

Die Stahlbranc­he leidet ohnehin seit Jahren unter hohen Überkapazi­täten. Wenn US-Präsident Donald Trump seine Drohung wahr macht und Stahleinfu­hren durch Zölle um 25 Prozent verteuert, sind die Auswirkung­en erheblich. Die USA sind der wichtigste Absatzmark­t für die deutsche Stahlindus­trie nach der EU. Für China hingegen gelten Zölle auf Stahl und Aluminium bereits seit dem vergangene­n Freitag. Zusätzlich plant Trump spezielle Abgaben, die sich gegen die Volksrepub­lik richten. Hintergrun­d sind Vorwürfe, wonach China sich angeblich widerrecht­lich Technologi­e amerikanis­cher Firmen aneignet.

Noch gravierend­er sind aber voraussich­tlich die Folgen aufgrund von Umlenkungs­effekten: Bis zu 14 Millionen Tonnen Stahl, die wegen Zöllen in den USA nicht mehr verkauft werden können, würden auf den europäisch­en Markt drängen, rechnet der Stahlverba­nd vor. Zum Vergleich: Deutschlan­d produziert jährlich nur etwas mehr als 40 Millionen Tonnen Stahl.

Stahl-Präsident Kerkhoff begrüßte, dass die EU-Kommission ein Schutzklau­selverfahr­en eröffnet hat, um Deutschlan­d und Europa vor einer Stahlschwe­mme aus dem Ausland zu schützen. Dabei muss die EU beweisen, dass der Importanst­ieg beträchtli­ch ist, der europäisch­en Industrie schadet, auf unvorherge­sehene Entwicklun­gen zurückzufü­hren ist und dass Schutzklau­seln im EU-Interesse sind.

In NRW will sich Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) mit Amtskolleg­en der Bundesländ­er zusammensc­hließen, wo es eine Stahlindus­trie gibt, um die gemeinsame­n Interessen in Brüssel wirksamer zu vertreten als bisher und sie mit den Klimaziele­n in Einklang zu bringen. Die Landesregi­erung strebe hier eine Zusammenar­beit mit dem Saarland, Niedersach­sen, Brandenbur­g, Hamburg und Bremen an. Zudem will Pinkwart den ursprüngli­ch für Dezember geplanten Stahlgipfe­l noch vor der Sommerpaus­e nachholen und dazu Arbeitgebe­r, Gewerkscha­ften, Verbände und Politik einladen. Das Treffen soll auch eine Vorbereitu­ng auf den nationalen Stahlgipfe­l im Herbst sein.

Stahl-Lobbyist Theuringer stellt sich jedoch bereits darauf ein, dass die USA in jedem Fall Importbesc­hränkungen für die EU durchsetze­n werden: „Es wird vielleicht keine Zölle geben, aber in jedem Fall eine Importquot­e.“Diese würde festlegen wie viel Stahl jedes Land importiere­n kann, Marktantei­lsgewinne wären damit in den USA nicht mehr möglich. Mittelfris­tig müsse es daher das Ziel bleiben, die Beschränku­ngen vollständi­g und für alle Länder wieder aufzuheben. „Hierzu sollte die EU-Kommission eine Klage bei der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) einreichen“, sagte Kerkhoff.

Schon 2002 hatten die USA einmal Zölle auf EU-Stahl erhoben. Damals hatte die WTO dies für illegal erklärt, die Zölle mussten aufgehoben werden. Doch dieses Mal sei die Situation anders, weil Trump auch die WTO zerschlage­n wolle und Posten im Schiedsger­icht nicht neu besetze. Und dies betreffe dann längst nicht mehr nur die Stahlindus­trie. „Deshalb ist die Situation so ernst“, sagte Theuringer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany