„Pionier für die Zukunft des Ruhrgebiets“
Der schwer erkrankte Werner Müller erhält den Verdienstorden des Landes. Zu der melancholischen Feierstunde hatte der Ministerpräsident Weggefährten des Energiemanagers eingeladen – darunter Altkanzler Schröder.
DÜSSELDORF Es war kein einfacher Termin in der Staatskanzlei: Werner Müller, der Architekt des Kohleausstiegs, erhielt gestern außer der Reihe den Verdienstorden des Landes. Der 71-Jährige ist schwer erkrankt, wie er im Februar öffentlich gemacht hat, und legt zum 24. Mai seine Ämter als Chef der RAG-Stiftung und des Evonik-Aufsichtsrats nieder. Man sieht Müller die Erkrankung an, doch Energie und Humor lässt er sich nicht nehmen. Und so erlebten die Wegbegleiter, die zur Feierstunde gekommen waren, einen Müller, wie sie ihn kennen – feinsinnig und im klassischem Dreiteiler. Als Überraschung für Müller ist unter den Gästen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD).
„Werner Müller ist ein Pionier und Gestalter für die Zukunft des Ruhrgebietes und ein leuchtendes Vorbild für die soziale Marktwirtschaft“, sagte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). „Vor diesem Leben ist Demut angebracht.“Und er betont: „Ich kenne keine Person, die die Wirtschaft und die Politik so gut verstanden hat.“Zeit seines Lebens war Müller, der eigentlich Pianist werden wollte, ein Wanderer zwischen den Welten: Er arbeitete für RWE und den Eon-Vorgänger Veba. Von 1998 bis 2002 war er Wirtschaftsminister der ersten rot-grünen Bundesregierung. Müller dachte vor und eckte an, doch egal ob Atom- oder Kohlepolitik – am Ende behielt er meistens recht.
2003 wurde Müller Chef des Zechenkonzerns RAG und seiner 80.000 Beschäftigten. Angesichts des Zechensterbens bangten die um ihre Zukunft – und Müller ersann den kühnen Plan, bis 2018 aus der Kohle auszusteigen, und zwar sozialverträglich. „Müller ist stets ein Mann des Ausgleichs gewesen, er steht für Innovation und für Sicherheit“, betonte Laschet. Am 21. Dezember schließt die letzte Zeche, und tatsächlich fällt kein Kumpel ins Bergfreie. Zugleich gebe Müller als Chef der RAG-Stiftung der Region, die dem Bergbau so viel verdanke, etwas zurück, sagte Laschet. Die Stiftung ist für die Finanzierung der Ewigkeitslasten zuständig und fördert Kultur, Wissenschaft und Wandel. „Wir wollen nicht sinnlos reich werden“, hatte Müller mal gesagt.
„Diese Auszeichnung bedeutet mir viel, mit Nordrhein-Westfalen war ich mein Berufsleben lang auf vielfältige Weise verbunden“, so der Manager gestern. „Alles, was wir erreicht haben, haben wir im Team geschafft.“Zur Feier seien die Menschen gekommen, denen er alles verdanke: seine Frau Marion, die ihm stets den Rücken freigehalten und sich um die beiden Kinder gekümmert habe; Gerhard Schröder, mit dem ihn eine herzliche Freundschaft verbinde; Ludwig Ladzinski, der langjährige RAG-Betriebsratschef, und Christian Kullmann, der heutige Evonik-Chef, der ihn seit 2003 begleitet. „Ganz NRW verändert mit dem Auslaufen der Steinkohleförderung sein Gesicht. Dass dieser gravierende Einschnitt so friedlich und erfolgreich gelingt, ist zu einem großen Teil der Verdienst von Werner Müller“, sagte Kullmann über seinen Ziehvater.
Die Krönung von Müllers Karriere war 2012 der Wechsel an die Spitze der RAG-Stiftung. Insbesondere Jürgen Rüttgers (CDU) hatte dies lange blockiert. Weil er unter Schröder gedient hatte, „galt ich manchen als strammer Sozi und nur eingeschränkt für andere Verwendungen tauglich, obwohl ich nie in der SPD war“, erzählt Müller. Doch Laschet habe sich für ihn starkgemacht. „Dafür danke ich dir“, so Müller.
Der Geehrte schloss die melancholische Feierstunde mit bitteren Worten: Die Zahl der Landesorden sei auf 2500 begrenzt. „Da ich heftig erkrankt bin, weiß ich, dass ich den Platz in absehbarer Zeit freimachen kann für andere Ordensträger.“