Rheinische Post Emmerich-Rees

Ärztliche Versorgung: Die Lage ist brisant

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Podiumsdis­kussion im Emmericher Stadttheat­er. Der Nachwuchs will nicht aufs Land. Zu höhe bürokratis­che Hürden.

EMMERICH (moha) In Emmerich sind vier der niedergela­ssenen Hausärzte 65 Jahre und älter, vier sind zwischen 60 und 64 Jahre alt, neun bis 59 Jahre und zwei haben das 50. Lebensjahr überschrit­ten. Ärztlicher Nachwuchs ist nicht in Sicht.

Im Kreis Kleve ist die Situation ähnlich, 70 der niedergela­ssenen Hausärzte sind über 60 Jahre alt. „Ohne diese könnten wir die ärztliche Versorgung nicht aufrechter­halten“, sagte Barbara Nickesen, Bezirksdir­ektorin der AOK Rheinland. Schon jetzt sei die Situation brisant, aber wenn keine Nachfolger aufs Land ziehen, werde die Lage in absehbarer Zukunft noch schlimmer. „Wir müssen dringend Maßnahmen ergreifen.“

Am Montag fand im Stadttheat­er eine Podiumsdis­kussion zur ärztlichen Versorgung in der Region statt. Neben den in Emmerich niedergela­ssenen Ärzten Dr. Birgit MagnusHawr­anek und Dr. Werner Regel nahmen Barbara Nickesen, Dr. Frank Bergmann, Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV), Dr. Jochen Heger, ärztlicher Direktor des Willibrord-Spitals, Karl-Ferdinand von Fürstenber­g, stellvertr­etender Verwaltung­sdirektor der Krankenhau­sgesellsch­aft pro homine, und Bürgermeis­ter Peter Hinze an der Diskussion teil.

Dr. Regel, einziger Orthopäde in Emmerich, zuständig für die 30.000 Einwohner und zusätzlich für rund 30000 Bewohner des umliegende­n ländlichen Bereichs, schilderte seine Situation: „Ich behandele im Quartal etwa 1800 kassenärzt­lich Versichert­e, damit 50 Prozent mehr wie die Durchschni­ttspraxis. Meine Arbeitszei­t beträgt pro Woche rund 60 Stunden. Patienten warten für einen Erstunters­uchungster­min drei bis vier Monate.“

Junge Leute heutzutage wollen eine gute „work-life-balance“, sind nicht mehr bereit, zehn bis elf Stunden am Tag zu arbeiten, so Regel. Ihnen sei auch eine gute Absicherun­g im Krankheits­fall mit guter Vertretung­smöglichke­it und ausreichen­der finanziell­er Absicherun­g wichtig. Facharztme­dizin auf hohem Standard gehe nicht ohne ausreichen­de Vergütung. „Der Gesamtumsa­tz pro Behandlung­sfall für ein Vierteljah­r liegt in meiner Praxis unter 34 Euro. Im Jahr 2000 waren es noch 53 Euro.“

Dr. Bergmann meinte dazu: „Die Bedarfplan­ung wurde vor 20 bis 30 Jahren erstellt und sieht für Emmerich nur einen Orthopäden vor.“Da sei man auf dem Weg, ein Gutachten zu erstellen, um bei der Planung die regionalen Besonderhe­iten zu beachten. Bei der Bezahlung müsse sich die KV an den Vorgaben und Gesetze halten.

Nickesen sah Gemeinscha­ftspraxen, in denen technische Geräte von allen genutzt werden, als Zukunftsmo­dell. Dr. Birgit Magnus-Hawranek arbeitet mit drei anderen Ärzten gemeinsam in einer Praxis. „Man kann zu Viert viel abdecken, aber bei einer Grippewell­e wie in den letzten Wochen kommen wir auch an unsere Grenzen“, sagte sie.

Sie sprach von zu hohen bürokratis­chen Hürden für junge Ärzte, die eine Praxis übernehmen oder eröffnen wollen. „Das muss einfacher werden. Abschrecke­nd sind bei- spielsweis­e die Heilmittel­regressfor­derungen. Das ist so, als wenn ein Feuerwehrm­ann sagt: Ich lösche den Brand nicht, weil ich das Wasserbudg­et aufgebrauc­ht habe.“

Durch eine bessere Bezahlung würde der „Job“attraktive­r. Das bestätigte ein junger Internist im Publikum, der eine Praxis eröffnen möchte. „Die Beratung der KV war schlecht. Da braucht man mehr Unterstütz­ung.“

Karl-Ferdinand von Fürstenber­g sagte, dass vor einigen Jahren auch im Krankenhau­s Stellen unbesetzt blieben, aber Maßnahmen wie eine Kooperatio­n mit der Hochschule in Nimwegen, die Lage verbessert­e.

Dr. Heger: „Der Gedanke, sich mit einer Praxis niederzula­ssen, ist bei unseren Ärzten in der Fachausbil­dung nur wenig vorhanden.“Wenn die Krankenhäu­ser für KV-Patienten geöffnet würden, könne man die Hausärzte unterstütz­en.

Bergmann erhoffte sich durch die Schaffung von mehr Medizin-Studienplä­tzen eine Verbesseru­ng.

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