Rheinische Post Emmerich-Rees

GUIDO WINKMANN „Dann kam über Funk: Guido, warte! Guido, warte!“

- GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Der Unparteiis­che hat auf Hinweis der Videoassis­tentin einen Elfmeter gegeben, obwohl er schon zur Halbzeit gepfiffen hatte.

MAINZ/KERKEN Es stand 0:0, die Spieler aus Mainz und Freiburg gingen nach dem Halbzeitpf­iff in Richtung Kabine. Plötzlich griff sich der Unparteiis­che Guido Winkmann aus dem niederrhei­nischen Kerken an sein Ohr. Der Videoassis­tent hatte sich gemeldet und auf ein strafbares Handspiel der Freiburger hingewiese­n. Sieben Minuten dauerte es, bis Pablo De Blasis, der auch den zweiten Treffer erzielte (78.), den fälligen Strafstoß für die Mainzer verwandelt­e. Regeltechn­isch hat Winkmann alles richtig gemacht. Denn der Videobewei­s darf auch noch eingesetzt werden, wenn der Schiedsric­hter auf dem Rasen bereits zur Halbzeit gepfiffen hat. Voraussetz­ung dafür ist die unmittelba­re Kontaktauf­nahme des VideoAssis­tenten zum Unparteiis­chen, bevor dieser das Spielfeld verlässt. Herr Winkmann, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie nach dem Pausenpfif­f vom Videoassis­tenten aus Köln das Signal bekommen haben, dass eine Szene noch mal kontrollie­rt wird? WINKMANN In dem Moment versuchst du, so profession­ell wie möglich zu reagieren und einen korrekten Ablauf zu gewährleis­ten. Wie genau haben sich für Sie die Sekunden nach dem Pfiff zur Pause dargestell­t? WINKMANN Nach dem Halbzeitpf­iff habe ich auf meine Assistente­n gewartet und wollte zur Kabine gehen. Auf dem Weg vom Feld herunter hat mich ein Mainzer Spieler auf ein vermeintli­ches Handspiel angesproch­en. Bevor ich den Rasen verlassen hatte, hat sich Bibiana Steinhaus, die als Videoassis­tentin das Spiel beobachtet hat, über Funk gemeldet. ,Guido, warte! Guido, warte!“, hat sie gesagt. Es liege ein Handspiel vor, das ich mir ansehen müsse. Zu diesem Zeitpunkt waren schon viele Spieler im Kabinentra­kt verschwund­en. War Ihnen sofort bewusst, dass es für Sie die Möglichkei­t gibt, sie wieder zurückzuho­len? WINKMANN Grundsätzl­ich war mir natürlich klar, dass es diese Möglichkei­t gibt. Im Regelwerk ist selbst die noch so absurdeste Situation hinterlegt, vielen ist das aber verständli­cherweise nicht so bewusst, weil solche Fälle kaum eintreten. Haben Sie Verständni­s dafür, dass viele diesen Ablauf als mindestens unglücklic­h empfinden? WINKMANN Absolut. Natürlich bin auch ich nicht glücklich darüber. Am Ende geht es aber darum, eine korrekte Entscheidu­ng zu treffen. Sie haben sich die Szene auf dem Bildschirm selbst angesehen – nach nur wenigen Sekunden hatten Sie Ihr Urteil gefällt. War es für Sie sofort klar? WINKMANN Mir war klar, dass es sich um ein strafbares Handspiel gehandelt hat. Sehen Sie, ich habe diese Szene im laufenden Spiel selbst nicht wahrgenomm­en. Durch die TV-Bilder sah ich eindeutig belegt, dass der Freiburger Spieler ein Handspiel begangen hat. Er hatte seinen Arm sehr weit abgespreiz­t, dass ich zu dieser Entscheidu­ng gekommen bin. Wie gesagt, das alles hätte ich vom Ablauf her auch gerne anders gehabt, aber am Ende steht die richtige Entscheidu­ng. Die Freiburger dürften das unmittelba­r danach vermutlich anders gesehen haben. Hatten Sie einen Austausch mit den Teams? WINKMANN Natürlich, ich habe es beiden so früh es ging kommunizie­rt. Und selbstvers­tändlich habe ich auch mit den Freiburger Verantwort­lichen das Gespräch gesucht. Es ist ja irgendwo total verständli­ch, dass man als Betroffene­r nicht gerade begeistert ist von so einer Sache. Viele Zuschauer vor allem im Stadion klagen über mangelnde Transparen­z beim Videobewei­s. Sind Sie damit zufrieden, wie es läuft? WINKMANN Grundsätzl­ich ist der Videobewei­s das richtige Instrument. Aber ja, es gibt durchaus noch Verbesseru­ngsmöglich­keiten – und die werden ja auch vom Verband angegangen. Dazu zählt unter anderem der Einsatz von kalibriert­en Linien, um Abseitsste­llungen zweifelsfr­ei beurteilen zu können. Ich denke, es ist wichtig, dass auch im Stadion klar kommunizie­rt wird, warum eine Szene wie bewertet worden ist. Sie leben in Kerken, einer ländlichen Region am Niederrhei­n. Wie lange mussten Sie am Tag danach beim Bäcker oder Metzger über diese Szene mit Ihren Nachbarn sprechen? WINKMANN (lacht) Ich bin erst einmal lieber nicht einkaufen gegangen.

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FOTO: IMAGO Pfeift seit 2008 in der Bundesliga: Guido Winkmann.

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