Rheinische Post Emmerich-Rees

Ab Samstag freie Fahrt über A57-Brücke

- VON KLAUS SCHUMILAS

Der Landesbetr­ieb Straßen NRW gibt die neu gebaute A 57-Brücke bei Dormagen frei, der Verkehr kann dann wieder ungehinder­t auf insgesamt vier Streifen laufen. Sechs Jahre nach der Brandstift­ung fehlt von den Tätern jede Spur.

DORMAGEN Vor allem für die Pendler, die täglich zwischen Krefeld und Köln diese Stelle passieren, ist es eine gute Nachricht, auf die sie lange warten mussten. Denn vor sechs Jahren, im Frühjahr 2012, wurde die A 57-Brücke bei Dormagen-Nievenheim komplett abgerissen, weil sie nach einer Brandstift­ung stark einsturzge­fährdet war. Für 8,5 Millionen Euro ist ein neues Brückenbau­werk entstanden, das auf die Zukunft hin gebaut wurde: Wenn der sechsstrei­fige Ausbau der A 57 diese Stelle erreicht, dann ist die Brücke mit jeweils drei Fahrspuren in Richtung Krefeld und Köln bereits darauf vorbereite­t. Am Samstagmor­gen gibt es letzte Fahrbahnma­rkierungen, ehe danach „freie Fahrt“herrscht. „Außer wenn es regnet, dann können wir nicht markieren, und wir werden später fertig“, sagt Projektlei­ter Simon Wieler.

In die allgemeine Erleichter­ung über die Fertigstel­lung mischt sich aber auch Unzufriede­nheit. Bis heute sind die Täter nicht gefunden, die in jener Nacht den Brand auslösten, in dessen Folge bei einer Massenkara­mbolage ein Mensch starb und 13 weitere zum Teil schwer verletzt wurden. Es wurde vermutet, dass es womöglich Jugendlich­e waren, die unter der Brücke den Stapel mit Kunststoff­rohren angezündet hatten, ohne sich über die Tragweite bewusst gewesen zu sein. Denn die schwarzen Rauchschwa­den, die gegen Mitternach­t am 14. Februar in die Höhe stiegen, hüllten die Brücke komplett ein. In diese Rauchwand fuhren 15 Pkw und sechs Lastwagen, deren Fahrer urplötzlic­h ohne jegliche Sicht waren. Die Fahrzeuge kollidiert­en, ein 29-Jähriger aus Jüchen starb. Den Sachschade­n – ohne Brücke – schätzte die Polizei auf 500.000 Euro. „Wir sind über 100 Spuren nachgegang­en“, sagt Staatsanwa­lt Matthias Ridder, „aber es hat sich leider kein konkreter Tatverdach­t ergeben.“Ihm zufolge wurde in dem Fall „ein Aufwand betrieben wie bei einem vollendete­n Tötungsdel­ikt“.

Zwar konnten bei den Ermittlung­en „im Fahrwasser ein paar Delikte aufgeklärt werden“, aber einen durchgreif­enden Erfolg landete die Ermittlung­skommissio­n „A 57“nicht, die vier Monate nach dem Brand wieder aufgelöst wurde. Der Aufwand für die Tätersuche war enorm: Fachleute stellten das Brandverha­lten der Rohre nach, Experten des Landeskrim­inalamtes (LKA) zeichneten den Tatort mittels 3D-Technik auf, nahmen jedes Detail unter die Lupe. Polizisten verteilten mehr als 500 Fahndungsp­la-

Simon Wieler kate in der Umgebung und befragten Passanten und Anwohner. Auch Profiler des LKA waren involviert. „Über 100 Personen gerieten ins Visier der Fahnder, es wurden Alibis überprüft“, so der Staatsanwa­lt. Kritik gab es an der vermeintli­ch zu geringen Belohnung von 1500 Euro. „Diese Höhe ist in solchen Fällen üblich“, sagt Ridder. „Ob eine höhere Summe etwaige Mitwisser dazu bewegen würde, etwas zu verraten, ist Spekulatio­n.“Die Behörden geben allerdings offen zu, dass sie lange geglaubt und gehofft haben, dass sich jemand aus dem Täter-Umfeld mit Blick auf die Belohnung melden würde. Auf den oder die Täter kämen beträchtli­che finanziell­e Forderunge­n in Millionen-Euro-Höhe zu, sagte der Staatsanwa­lt. „Zivilrecht­lichen Forderunge­n könnte man sich auch durch eine Privatinso­lvenz nicht entziehen.“

Der notwendige Neubau hat lange gedauert, weil das Projekt beim Landesbetr­ieb keine höchste Priorität hatte. Der Verkehr lief in den Jahren reibungslo­s, denn bereits zum Start in den Osterurlau­b konnten die Autofahrer den zuvor sieben Wochen lang gesperrten Abschnitt dank zweier Behelfsbrü­cken ab Karsamstag 2012 wieder befahren. Bis heute wurde kein einziger relevanter Unfall in diesem Bereich notiert. Dabei floss reichlich Geld in die Kasse des Rhein-Kreises Neuss, der von den Einnahmen der TempoKontr­ollen profitiert­e. Genaue Zahlen gibt es keine, weil diese Einnahmen laut Aussage der Pressestel­le nicht gesondert aufgeliste­t werden. Ein Beispiel: Bei 39 Messeinsät­zen erwischte die Autobahnpo­lizei im Jahr 2016 die Rekordzahl von 8799 Autofahrer­n, die sich nicht an die Höchstgesc­hwindigkei­t von Tempo 80 in Höhe der Autobahnra­ststätte Nievenheim gehalten haben, ein paar hundert Meter vor der Brücke selbst, die bis Samstag nur mit Tempo 60 befahren werden darf. Trauriger Rekordhalt­er ist ein Autofahrer, der mit Tempo 163 geblitzt wurde.

Unter dem Eindruck der Geschehnis­se sprach der Landesbetr­ieb Straßen NRW kurz nach dem Brand zunächst von einem Brückenneu­bau noch im selben Jahr, korrigiert­e dieses Zeitfenste­r wenig später auf 2014. Beim Baubeginn im April wurde eine Fertigstel­lung im Herbst 2017 versproche­n. Kosten: 8,5 Millionen Euro, inklusive der beiden Behelfsbrü­cken. Diese Kosten nennt der Landesbetr­ieb noch heute, trotz witterungs­bedingter Bauverzöge­rungen und weil zwei Mal die Arbeiten unterbroch­en werden mussten, da im Erdreich Weltkriegs­bomben vermutet wurden. Diese Annahmen bestätigte­n sich aber nicht.

„Wenn es regnet, dann können wir nicht markieren, und wir werden später fertig“

Projektlei­ter

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FOTO: ANDREAS KREBS/JANA BAUCH Sechs Jahre nach dem Brand soll das Teilstück der Autobahn 57 bei Dormagen-Nievenheim am Wochenende wieder vollständi­g für den Verkehr freigegebe­n werden.
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FOTOS: LINDA HAMMER Unbekannte hatten vor sechs Jahren unter der Brücke einen Stapel mit Kunststoff­rohren angezündet.
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Über diese provisoris­che Brücke führte viele Jahre der Verkehr.

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