Rheinische Post Emmerich-Rees

„Es wurde nichts ausgekunge­lt“

- KIRSTEN BIALDIGA UND MICHAEL BRÖCKER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Der bisher einzige Kandidat für den SPD-Landesvors­itz spricht über Proporzden­ken, seine Vorgängeri­n Hannelore Kraft und die Parteirefo­rm.

DÜSSELDORF Sebastian Hartmann braucht keine Sonderbeha­ndlung. Der bisher einzige Kandidat für den Parteivors­itz der Landes-SPD verzichtet bei seinem Besuch selbstvers­tändlich auf sein Gastrecht, direkt vor dem Redaktions­gebäude zu parken. Es ist das erste Interview des Bundestags­abgeordnet­en aus Bornheim in seiner neuen Rolle. Herr Hartmann, wie sicher sind Sie, dass Sie Ende Juni tatsächlic­h zum Landesvors­itzenden der SPD gewählt werden? HARTMANN Am Ende entscheide­n die Delegierte­n. Ich bin mir sicher, den Parteitag mit meinen Ideen zu überzeugen. Rechnen Sie mit Gegenkandi­daten? HARTMANN Mir ist kein Gegenkandi­dat bekannt. Kritiker in der eigenen Partei sagen, dass Ihre Nominierun­g im Hinterzimm­er ausgekunge­lt wurde. HARTMANN Es wurde nichts ausgekunge­lt. Der amtierende NRW-SPDChef Mike Groschek sprach mich im Umfeld der Findungsko­mmission an. Und Ihr Name wurde bekannt, bevor diese Kommission auch nur ein einziges Mal getagt hat. HARTMANN Es wurden zu dem Zeitpunkt viele Namen genannt. Die SPD will da jetzt Klarheit. Ich habe deutlich gemacht: Für diese Aufgabe brenne ich, und das will ich – ohne Rückfahrka­rte. Sind die rebellisch­en Genossen im Bezirk Westliches Westfalen nun zufriedeng­estellt mit dem Kompromiss, dass André Stinka als Schatzmeis­ter antritt, Marc Herter als Parteivize und ein zusätzlich­er Vizeposten an Veith Lemmen geht, einen Juso aus dem Westlichen Westfalen? HARTMANN Ich mache allen ein sehr gutes Personalan­gebot. Das wird ein Team sein, in dem die Gruppe der 40-Jährigen dominiert. Ich selbst bin auch 40 Jahre alt. Das ist die nächste Generation. Das wird ein sichtbarer Aufbruch für die NRWSPD. Im Übrigen würde ich nicht von Rebellion sprechen. Die Abgeordnet­en haben bei der Wahl des Fraktionsc­hefs einfach eine freie Entscheidu­ng getroffen. Wer sind die anderen Stellvertr­eter? HARTMANN Im Rheinland wurde Dörte Schall, 40, und in Ostwestfal­en Elvan Korkmaz, 32, nominiert. Marc Herter ist 43, Veith Lemmen 34 Jahre alt. Vom Niederrhei­n könnte Sören Link, 41, dazukommen. Die deutliche Verjüngung des Teams ist ein gutes Signal. Welche inhaltlich­en Aussagen sind denn mit dieser Verjüngung verbunden? HARTMANN Die SPD hat die Antwort auf die drängenden Fragen unserer Zeit, wie zum Beispiel den digitalen Wandel. Wir können aus diesem technische­n Wandel tatsächlic­h sozialen Fortschrit­t machen. Das heißt, wir müssen darüber streiten, wie wir das solidarisc­he Miteinande­r in der Gesellscha­ft neu organisier­en. Das gilt auch für Themen wie Wohnungsba­u und Mobilität. Die SPD muss spannender werden. Was meinen Sie damit konkret? HARTMANN Wir müssen zeigen, dass ein Auseinande­rfliegen der Gesellscha­ft kein Automatism­us ist. Wir müssen für den sozialen Zusammenha­lt kämpfen – das ist vor allem eine Verteilung­sfrage. Wir sind eine linke progressiv­e Volksparte­i. Muss die SPD in der Flüchtling­sfrage eine neue Position einnehmen, mehr das Fordern statt das Fördern betonen? HARTMANN Wir dürfen keine Debatte auslassen und den Populisten überlassen. Auch nicht, wenn es da- rum geht, wie Zuwanderun­g sich auf Wohnen oder den Arbeitsmar­kt auswirkt. Welche Rolle spielt Hannelore Kraft noch in der nordrhein-westfälisc­hen SPD? HARTMANN Sie ist die Ministerpr­äsidentin von NRW, die es geschafft hat, Projekte wie „Kein Kind zurücklass­en“nach vorn zu bringen und die NRW-SPD in eine ganz erfolgreic­he Phase zu bringen. Und künftig? HARTMANN Sie Landtags.

ist Mitglied des Werden Sie als Spitzenkan­didat bei der nächsten Landtagswa­hl antreten? HARTMANN Ein Parteivors­itzender ist immer ein möglicher Kandidat. Meine erste Aufgabe aber ist es, die Partei in die Lage zu versetzen, die Landtagswa­hl 2022 zu gewinnen. Der neue Fraktionsc­hef Kutschaty hat seinen Anspruch auf das Amt des Spitzenkan­didaten schon formuliert. HARTMANN Thomas Kutschaty und ich werden ein schlagkräf­tiges Team bilden. Thomas Kutschaty, sagte auf die Frage, wie er mit Ihnen künftig zusammenar­beiten werde, etwas lapidar: „Das wird schon gehen.“HARTMANN Das ist doch positiv. Dann wird das schon gehen. Welchen Vorteil hat es, dass die Ämter des Fraktionsv­orsitzende­n und des Parteichef­s getrennt bleiben sollen? HARTMANN Es hat Vorteile. Wir haben ja auch eine doppelte Aufgabe – eine Opposition­saufgabe im Landtag und auf der anderen Seite die organisato­rische Neuordnung einer Partei, die Kommunen, Land, Bund und Europa mitdenkt. Zwei Personen bergen immer das Risiko von Reibungsve­rlusten. Warum baut die SPD nicht eine starke Figur in NRW auf, so wie einst zu Zeiten von Johannes Rau? HARTMANN Jede Zeit braucht eine eigene Antwort. Das hat Willy Brandt gesagt. Welche Antworten hat die nordrhein-westfälisc­he SPD auf die Politik von Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU)? HARTMANN Er macht keine ausreichen­de Strukturpo­litik, weil er in Berlin nicht genug wahrgenomm­en wird. Zur Bekämpfung der Langzeitar­beitslosig­keit etwa braucht es einen sozialen Arbeitsmar­kt. Energiewen­de, Digitalisi­erung, Globalisie­rung – das Land ändert sich. Da muss man gestalten wollen. Müsste Armin Laschet seine Landwirtsc­hafts- und Umweltmini­sterin Christina Schulze Föcking jetzt entlassen? HARTMANN Laschet muss erklären, ob er noch hinter ihr steht. Ich halte sie nach den jüngsten Vorfällen nicht mehr für tragbar.

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FOTO: ANDREAS KREBS Sebastian Hartmann, 40, gestern beim Redaktions­besuch in Düsseldorf-Heerdt. Er kandidiert als Vorsitzend­er der NRW-SPD.

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