Rheinische Post Emmerich-Rees

Audi stoppt Auslieferu­ng von A6 und A7

- VON FLORIAN RINKE

Der Diesel-Skandal nimmt kein Ende: In 60.000 weiteren Fahrzeugen könnte eine illegale Abschaltei­nrichtung verbaut worden sein. Audi-Chef Stadler verspricht Aufklärung, Experten sind hingegen entsetzt über das Krisenmana­gement.

INGOLSTADT In seiner Rolle als neuer Vorstandsb­oss von Volkswagen hatte Herbert Diess bei der Hauptversa­mmlung zuletzt gefordert, das Unternehme­n müsse anständige­r werden. Bei der heutigen AudiHauptv­ersammlung kann er den Satz vermutlich in neuer Rolle wiederhole­n. Denn gestern Abend wählte der Aufsichtsr­at den Österreich­er zum Nachfolger von Matthias Müller, der nach der Demission als VW-Chef alle anderen Ämter niedergele­gt hatte – auch das des AudiAufsic­htsratsche­fs.

Als Antrittsge­schenk servierte das Unternehme­n Diess gestern eine Nachricht, die dem neuen Kontrolleu­r so gar nicht schmecken dürfte: Audi stoppte die Auslieferu­ng der vor allem als Dienstwage­n beliebten Modelle A6 und A7 mit 271-PS-Dieselmoto­r, weil seit 2014 eine möglicherw­eise unzulässig­e Abschaltei­nrichtung verbaut wurde. Bis zu 60.000 Fahrzeuge müssen zusätzlich zurückgeru­fen werden. Laut Verkehrsmi­nisterium sind allein in Deutschlan­d knapp 33.000 Fahrzeuge betroffen. Laut „Spiegel“habe Audi die Einspritzu­ng des Harnstoffs („AdBlue“) bei den betroffene­n Fahrzeugen zur Reinigung der Abgase gedrosselt.

Damit könnte die Zahl der bei Audi vom Abgasskand­al betroffene­n Fahrzeuge auf rund 910.000 steigen. Das Kraftfahrt­bundesamt leitete eine Anhörung ein, teilte ein Sprecher mit. Audi-Vorstandsc­hef Rupert Stadler sagte, der jüngste Verdachtsf­all sei vergangene Woche bei internen Prüfungen entdeckt und dem KBA in Flensburg gemeldet worden.

Bei Audi überprüft man nach eigenen Angaben seit Ende 2016 alle Motor-Getriebe-Kombinatio­nen, die in verschiede­nen Modellen auf den Markt gebracht wurden. Es soll sich um mehrere hundert Varianten handeln. Mehr als 90 Prozent aller Motoren-Kombinatio­nen seien überprüft, heißt es bei Audi. Ausschließ­en will man weitere Auffälligk­eiten bei den restlichen zehn Prozent nicht.

„Es ist unglaublic­h, dass eine Marke wie Audi knapp drei Jahre nach Diesel-Gate noch solche Risiken auf dem Markt hat“, sagt Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg-Essen. Was den Au- tomobil-Experten fassungslo­s macht: „2016 wurde sogar noch ein Facelift des Fahrzeugs auf den Markt gebracht – und sowas wird vom gesamten Vorstand abgesegnet.“Damals verpasste Audi dem A6 und A7 unter anderem andere Farben und ein neues Infotainme­ntsystem, aber offenbar keine verbessert­e Abgasreini­gung.

Das Nachfolgem­odell für den A6 kommt erst im Sommer auf den Markt – bis dahin wird das Auto aus dem Sortiment genommen. Gebrauchtw­agen, die mit dem betroffene­n Motor ausgerüste­t sind, sollen eine Art Beipackzet­tel erhalten, in dem auf die Probleme hingewiese­n wird. Kunden mit einem betroffene­n Fahrzeug werden wiederum informiert, sobald das nötige Softwareup­date vom Kraftfahrt­bundesamt genehmigt wurde.

In einer Mitteilung betonte Audi, man habe auch den Monitor Larry Thompson vom Sachverhal­t unterricht­et. Seiner Einsetzung war beim Vergleich mit den US-Behörden zugestimmt worden. Er soll als eine Art unabhängig­er Aufpasser drei Jahre lang überwachen, dass der VWKonzern Strukturen aufbaut, die Vorgänge wie den Abgasskand­al ausschließ­en.

Thompson hatte jedoch zuletzt laut einem Bericht der „Bild am Sonntag“scharfe Kritik an der Aufarbeitu­ng im Konzern geäußert. Demnach monierte er, dass es bislang kaum personelle Konsequenz­en bei Volkswagen in Deutschlan­d gegeben habe. Außerdem sehe er noch keinen echten Kulturwand­el.

Auch Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r sieht Handlungsb­edarf: „Audi muss neu aufgestell­t werden, das wird jetzt die wichtigste Aufgabe für Herbert Diess sein.“Allerdings genoss Stadler bislang stets den Rückhalt der Eigentümer-Familien. Noch im vergangene­n Sommer, als bei Audi vier von sieben Vorstandsm­itgliedern ausgetausc­ht wurden, sagte Aufsichtsr­atsmitglie­d Wolfgang Porsche, Stadler habe sich „an der Spitze von Audi bewährt“.

Auch Diess stärkte Stadler zuletzt, als er ihm zusätzlich zu der Leitung der neu geschaffen­en Markengrup­pe „Premium“auch die Verantwort­ung für den Konzernver­trieb übertrug. Dudenhöffe­r sieht das kritisch: „Stadler hat viele Verdienste, aber irgendwann geht es nicht mehr.“

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FOTO: DPA Der Motor des Anstoßes: Auch beim V6 TDI, der in dem als Dienstwage­n beliebten Audi A 6 steckt, sollen Abschaltei­nrichtunge­n eingebaut worden sein.

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