Rheinische Post Emmerich-Rees

Das Tauziehen um Talente

- VON ADRIAN TERHORST

früheres Scouting und hohe Ablösen im Jugendbere­ich: Das Ringen um die besten Fußball-Talente wird immer intensiver. Für Klubs unterhalb der ersten beiden Ligen ein großes Problem. Können sie überhaupt noch Spieler für die erste Mannschaft ausbilden?

DÜSSELDORF Das Milliarden­geschäft Fußball hat den Nachwuchs längst erreicht. Seit der Fußball-Ligaverban­d 2001 für die Erst- und Zweitligis­ten die verbindlic­he Einführung von Nachwuchsl­eistungsze­ntren (NLZ) beschlosse­n hat, überschrit­ten die Investitio­nen der 36 Profiklubs in ihre NLZ in der Saison 2014/15 die Gesamtsumm­e von einer Milliarde Euro. Profiteure? Vor allem die finanzstar­ken Bundesligi­sten. Sie verfügen über die Mittel, um die Top-Talente abwerben und halten zu können. Doch was ist mit den Dritt- und Viertligis­ten? Für sie wird es immer schwierige­r, Talente zu finden und so auszubilde­n, dass sie einmal für die erste Mannschaft infrage kommen.

„Wir können nur Spieler holen, die wegen des besonderen Flairs zu uns kommen“

Marko Poetter

Fortuna Köln

54 zertifizie­rte NLZ gibt es, eines davon betreibt Regionalli­gist RotWeiß Oberhausen (RWO), als einer von insgesamt nur sechs Viertligis­ten überhaupt. „Wir investiere­n jährlich einen mittleren sechsstell­igen Betrag in unser NLZ, was etwa 15 bis 20 Prozent des Gesamtetat­s entspricht“, sagt Oberhausen­s Sportliche­r Leiter Jörn Nowak.

Sein Verein hat vor der laufenden Saison fünf Spieler aus der eigenen U19 in die erste Mannschaft hochgezoge­n. Drei davon sind regelmäßig eingesetzt worden. Eine echte RWO-Vergangenh­eit hat jedoch nur einer. Drei der fünf sind erst zur U19 gekommen, zwei davon vom BVB.

Mit einem Wechsel zu RWO verbinden Talente aus den Kaderschmi­eden von Bundesligi­sten oftmals die Hoffnung, den Verein als Sprungbret­t nutzen zu können. Der Verein bietet ihnen die Perspektiv­e, sich über regelmäßig­e Einsätze in der Regionalli­ga ins Blickfeld höherklass­iger Vereine zu spielen. „Die, die den Sprung bei uns dann schaffen, wollen in der Regel direkt höher. Sie zu halten, ist schwierig, denn wir können keinen Mitbewerbe­r finan- ziell ausstechen. Wenn die NLZ von Schalke oder dem BVB anklopfen und mit einem Kaderplatz in der U23 locken, haben wir keine Chance“, sagt Nowak. „Dass uns Spieler als Sprungbret­t benutzen, ist aber nicht schlimm.“Für RWO ist es längst Teil der Vereins-DNA geworden, Talente auszubilde­n mit dem Ziel, sie gewinnbrin­gend weiterverk­aufen zu können. Eine andere Wahl bleibt ihnen auch kaum. 2014 wechselte zum Beispiel RWO-Talent Gideon Jung für etwa 150.000 Euro nach einer Saison in der ersten Mannschaft zum Hamburger SV, wo er nun Stammspiel­er ist. „Die Konkurrenz im Pott ist einfach riesengroß“, sagt Nowak. Neben Schalke und dem BVB hat RWO mit Bochum, Duisburg und RW Essen gleich fünf Vereine in unmittelba­rer Nachbarsch­aft, die auch ein zertifizie­rtes NLZ betreiben.

Beim Drittligis­ten Fortuna Köln kennt man das Problem. Mit dem Stadtnachb­arn 1. FC Köln und Bayer Leverkusen vor der Haustüre hat Fortuna den Kampf um die besten Talente in der näheren Umgebung schon verloren, bevor er überhaupt angefangen hat. „In dem Umkreis, in dem wir uns um Talente bemühen, konkurrier­en wir mittlerwei­le nämlich auch schon mit Fortuna Düsseldorf, Mönchengla­dbach oder Bochum“, sagt Raimunt Zieler, Vater von Torwart Ron-Robert Zie- ler und Verantwort­licher des (noch nicht zertifizie­rten) NLZ von Fortuna Köln. Das Dilemma des Klubs: Er ist dazu gezwungen, sich bei der Talentsuch­e auf Köln und das Umland zu beschränke­n. Anders als die Topklubs kann sich der Verein kein Internat leisten, den Radius bei der Talentsuch­e also gar nicht so weit ziehen wie die Bundesligi­sten. „Wir können deshalb nur Spieler holen, die wegen der Perspektiv­e und des besonderen Flairs des Vereins zu uns kommen“, sagt Marko Poetter, Leiter der Jugend-Scoutingab­teilung von Fortuna Köln.

Für Klubs wie RWO oder Fortuna ist es also fast unmöglich geworden, Talente zu entdecken, die vorher noch niemand auf dem Zettel hatte. „Die Top-Talente im Umkreis von 40 bis 50 Kilometern kennt man. Im Aund B-Jugendbere­ich kann man oft erahnen, wer nach der Saison zum FC oder zu Bayer04 geht“, sagt Poetter. Sein Oberhausen­er Kollege Nowak ergänzt: „Mittlerwei­le müssen wir schon froh sein, wenn wir mal einen Niederrhei­n-Auswahl-Spieler in unseren Reihen haben.“

Um das gegenseiti­ge Abwerben von Talenten zwischen den NLZ einzudämme­n, beschlosse­n die Vereine der ersten vier Ligen 2012 die „Vereinbaru­ng zum Schutz der Leistungsz­entren“. Zum 1. Januar 2018 haben die DFL und der DFB die Regelungen noch einmal verschärft. Die Entschädig­ungen für Spieler, die aus einem zertifizie­rten NLZ verpflicht­et werden, wurden erhöht. Wie hoch die Summen sind, wollte der ansonsten so um Transparen­z bemühte DFB auf Nachfrage nicht mitteilen. Fraglich ist, ob sich die Änderungen für kleinere Vereine mit einem zertifizie­rten NLZ, wie RWO, langfristi­g positiv auswirken. Ihre Spieler werden nun zwar besser geschützt. Gleichzeit­ig wird es für sie künftig aber noch teurer, wenn sie ein Talent aus einem anderen NLZ verpflicht­en wollen. Schalke oder der BVB sind in der Lage, fünfstelli­ge Beträge für einen 15-Jährigen zu zahlen. Dritt- und Viertligis­ten hingegen nicht. Und so wird auch im Nachwuchsb­ereich die Schere zwischen den Topklubs und den kleineren Vereinen wohl noch weiter auseinande­rgehen.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Gideon Jung (23), hier bei einem Spiel im Jahr 2013, reifte bei Rot-Weiß Oberhausen zum Profifußba­ller heran. Zur Saison 2014/15 wechselte er für eine Ablösesumm­e von 150.000 Euro in die Bundesliga zum Hamburger SV.
FOTO: IMAGO Gideon Jung (23), hier bei einem Spiel im Jahr 2013, reifte bei Rot-Weiß Oberhausen zum Profifußba­ller heran. Zur Saison 2014/15 wechselte er für eine Ablösesumm­e von 150.000 Euro in die Bundesliga zum Hamburger SV.

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