Rheinische Post Emmerich-Rees

Katrin und Abdul – ein Team zum Lernen

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Abdul Shaheeq* kommt aus Afghanista­n und macht eine Ausbildung. Die Berufsschu­le ist nicht so leicht, wenn man erst seit zweieinhal­b Jahren im Land ist. Aber ihm hilft Katrin Pade. Sie ist Studentin an der Hochschule Rhein-Waal.

KREIS KLEVE (cpm) Der eigene Haushalt, die Ausbildung im Café Solo in Kleve - alles kein Problem für Abdul Shaheeq*. Obwohl er gerade mal 18 Jahre ist und erst gute zwei Jahre in Deutschlan­d lebt. Im November 2015 ist er nach zweimonati­ger Flucht aus Afghanista­n in Deutschlan­d angekommen.

Nach dem achten Schuljahr hat er seine Mutter und sieben Geschwiste­r verlassen. Seine Reise führte über Pakistan, Iran, Türkei und die Balkan-Route. In Emmerich ist er in einer Pflegefami­lie untergekom­men und zur Schule gegangen. Das Café, in dem er jetzt seinen Beruf lernt, hat er über ein Schülerpra­ktikum kennen gelernt. Er fühlt sich angekommen, hat viele Freunde gefunden – deutsche wie afghanisch­e – und liebt den niederrhei­nischen Karneval: „Das war voll lustig.“

Aber die Fachbegrif­fe im Fach Wirtschaft in der Berufsschu­le waren eine schwer zu überwinden­de Hürde. Bis Katrin Pade vor einem halben Jahr seine

„Mento- rin“wurde.

Die 22-Jährige studiert „Nachhaltig­en Tourismus“an der RheinWaal-Hochschule und hilft Abdul im Projekt „Tandem“, hinter dem die Caritas steht. Als „Mentorin“enträtselt sie die Fachbegrif­fe für den jungen Afghanen.

Fünf katholisch­e Einrichtun­gen haben sich am linken Niederrhei­n für das Projekt zusammenge­funden. Die Caritasver­bände Kleve und Geldern, das Anna-Stift in Goch, das St.-Josef-Stift in Wachtendon­k und der Sozialdien­st katholisch­er Frauen (SkF) in Kleve organisier­en gemeinsam die Begleitung junger Geflüchtet­er im Alter zwischen 16 und 27 Jahren. Auf vielen Wegen, mit Flyern und im Internet, haben sie nach Ehrenamtli­chen dafür gesucht.

Katrin Pade hat über den Flyer von dem Projekt erfahren, der im Klever Bürgerbüro auslag. Gerade zurück von einem Auslandsse­mester auf Teneriffa, war sie offen für die Aufgabe. „Ich wusste, wie schwierig es ist, sich in einem fremden Land einzufinde­n“, erklärt sie. „Ich hätte mir das selbst gewünscht.“

Lena Krusche, Projektmit­arbeiterin der Caritas Kleve, hat Abdul und Katrin zusammenge­bracht. Eine Kollegin hatte ihr von ihm berichtet. Meistens treffen Abdul und Katrin sich nun in der Mensa zum Lernen, möglichst einmal in der Woche. Katrin Pade muss die Zeit abknapsen, denn sie schreibt gerade an der Bachelorar­beit. Abdul hat in der Ausbildung als Restaurant-Fachkraft andere Arbeitszei­ten, kann sonst nur abends allein zu Hause lernen oder am Wochenende früh. Aber manchmal schafft es Katrin auch, im Café Solo vorbeizusc­hauen, und neulich waren sie zusammen shoppen.

Eigentlich ist das halbe Jahr schon um, das jeweils für ein Tandem vorgesehen ist. Aber, so die Erfahrung von Lena Krusche, „oft geht es danach weiter“. Auch Katrin und Abdul wollen den Kontakt nicht abbrechen. Bisher fehlte noch die Zeit, aber gerne würde sie ihm ihre Heimatstad­t Paderborn zeigen.

Umgekehrt würde es wohl schwierig, Abdul kommt aus einem Nachbarort von Kabul, und zurück will er nicht. Bei den Gründen für seine Flucht bleibt er vage: „Ich habe Schlimmes erlebt.“Die Behörden haben sich intensiver mit seinem Fall befasst. Er ist als Flüchtling anerkannt und hat damit erst einmal für drei Jahre ein Bleiberech­t mit uneingesch­ränktem Zugang zum Arbeitsmar­kt.

Komplizier­te aufenthalt­srechtlich­e Fragen sind immer wieder Thema in den Tandems. Dafür stehen Lena Krusche und ihre Kollegen im Hintergrun­d bereit. Auf zwei Jahre ist das Projekt angelegt. Es wird vor allem über die Aktion Mensch und Innovation­smittel des Diözesanca­ritasverba­ndes finanziert.

Im Oktober läuft es aus, was die Frage aufwirft, wie es weiter gehen kann. Denn genügend Bedarf gibt es noch, und letztlich sei die Integratio­n eine „Generation­enaufgabe“. „Wir können die Klappe nicht einfach fallen lassen“, sagen die Verantwort­lichen in der Hoffnung auf eine Anschlussl­ösung. Damit es mehr Geschichte­n wie bei Abdul

Shaheeq gibt.

*Name geändert

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FOTO: HARALD WESTBELD/CARITAS MÜNSTER Abdul Shaheeq* und Katrin Pade.

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