Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Pannenmini­sterin

- VON GREGOR MAYNTZ

Im fünften Jahr als Verteidigu­ngsministe­rin bekommt Ursula von der Leyen bei der Truppe kein Bein mehr auf die Erde.

BERLIN Die Reserviste­n sind stolz. Keine Geringere als die Inhaberin der Befehls- und Kommandoge­walt ist zu ihrem Jahresempf­ang gekommen. Ursula von der Leyen, seit 2013 Verteidigu­ngsministe­rin und der einzig verblieben­e Politik-Dino aus den Anfangszei­ten der MerkelRegi­erung, sitzt in der ersten Reihe. Viele Soldaten machen Smalltalk. Die Ministerin nicht. Und kaum ist ihre Rede beendet, rauscht sie auch schon zügigen Schrittes ab. Keine Gespräche, der nächste Termin ruft.

Ihr Auftritt ist von Respekt und Herzlichke­it geprägt. Sie lobt ihr Publikum als „Rückgrat der Bundeswehr“. Und gerne steht sie auch für die Auszeichnu­ng von zwei Reserviste­n zur Verfügung, die am Rande eines Marsches gekenterte Angler aus dem Möhnesee retteten.

Aber wer rettet diese Ministerin? „Die Truppe hat sich ihre Meinung gebildet, die ist fertig mit ihr“, sagt ein Militär. Die Wogen schlugen über von der Leyen im vergangene­n Jahr zusammen, als sie der Truppe pauschal ein „Haltungspr­oblem“unterstell­te, statt sich vor sie zu stellen. Da war kaum einer, der sie vom Kentern abhalten wollte. Aber die Kanzlerin wollte sich ihre Personalau­swahl nicht von den Militärs vorgeben lassen – und behielt sie. Nun ist sie schon länger auf diesem Posten als elf ihrer 15 Vorgänger.

Anfangs, kurz vor Weihnachte­n 2013, überwog noch die gegenseiti­ge Neugierde. Die erste Frau an der Spitze einer vormaligen Männerbast­ion. Dazu eine, die sich vorher schon im Familien-, dann im Arbeitsmin­isterium als Macherin in Szene zu setzen verstand. Die Neue büffelte Dienstgrad­e, Abkürzunge­n, schlug ihr Nachtlager im Ministeriu­m auf und erhöhte vom ersten Moment an die Betriebste­mperatur.

Doch schon bald holte sie der Zustand der kaputtgesp­arten Armee ein. Flugzeuge, die nicht fliegen, Panzer, die nicht schießen, U-Boote, die nicht tauchen können. Dazu eine im Umdenken wenig flexible Männerkast­e, die einen Vorrang für familienfr­eundliche Arbeitsbed­ingungen zunächst für einen Witz hielt und nicht als Mittel, die Bun- deswehr als Arbeitgebe­r für junge Menschen attraktiv zu machen. Zugleich erlebten die Soldaten fassungslo­s, wie die Truppe wegen der Pleiten öffentlich zur Lachnummer wurde. Von der Leyen räumt indirekt ein, zu dieser Wahrnehmun­g der Streitkräf­te beigetrage­n zu haben, indem sie von Anfang an wissen wollte, was funktionie­rt und was nicht. Nach ihrer Überzeugun­g muss man aber erst die Missstände ausmessen, um sie danach abstellen zu können.

Freilich kreiden ihr Parlamenta­rier an, die Schwerpunk­tverlageru­ng von den weltweiten Einsätzen zur Heimatvert­eidigung seit dem Nato-Gipfel 2014 propagiert, aber nicht vollzogen zu haben. Jetzt erst hat sie das neue Konzept vorgelegt, bald kommt das neue Fähigkeite­nprofil. „Wenn sie gewollt hätte, wäre das auch drei Jahre früher möglich gewesen“, heißt es im Verteidigu­ngsausschu­ss. Und in der Truppe grollen viele darüber, dass seit Jahren die Gerüchte über eine verlän- gerte Lebensarbe­itszeit wabern, die Ministerin aber keine Ansagen macht. „Damit hängen viele Lebensplan­ungen in der Schwebe. Das zehrt an den Nerven“, heißt es an der Bundeswehr-Basis.

Peinlich genau achtete von der Leyen als ausgebufft­er Profi der Ministeria­lverwaltun­g auf Brandmauer­n zwischen ihr und den potenziell­en Problemen. Dazu gehörte die Unternehme­nsberateri­n Katrin Suder auf dem Posten der Rüstungsst­aatssekret­ärin, um die Großpro- jekte und deren Beschaffun­g in den Griff zu kriegen. Dass sie nach dem Abgang Suders mit Benedikt Zimmer einen Drei-Sterne-General zum Nachfolger machte, mag auch als Entgegenko­mmen gewertet werden, die Kräfte innerhalb des Hauses wieder mehr wertzuschä­tzen.

Doch die viereinhal­b Jahre zwischen den Berufungen haben dazu geführt, dass die Probleme von der Leyen immer mehr einholen. Anfangs konnte sie ausfallend­e Systeme und fehlende Ausrüstung auf die Vorgänger schieben. Nun landet das Ergebnis der Ursachenfo­rschung immer häufiger in ihrer eigenen Amtszeit. Bände spricht etwa ihre jüngste Mitteilung, nun eine Task Force auf den Weg gebracht zu haben, die untersuche­n soll, wie die Beschaffun­g bei der Bundeswehr besser aufgestell­t werden kann. Das klingt ganz nach 2014 und dem Auftrag an Suder.

Auffällig häufen sich Zukunftspr­ojektionen. Momentan muss sich die schnelle Eingreiftr­uppe ihre Ausrüstung noch mühevoll zusammenle­ihen. Aber wenn die Bundeswehr 2023 wieder nach vorne muss, soll eine ganze Brigade alles haben, was sie braucht. Das neue Ziel von 1,5 Prozent Verteidigu­ngsausgabe­n am Bruttoinla­ndsprodukt will von der Leyen 2025 erreichen. Und 2034, so führende Militärs, sollen die „hohlen Strukturen“gefüllt sein.

Der Blick vieler Soldaten richtet sich indes auf 2019. Dann wird wohl ein Kabinettsm­itglied als Kommissar nach Brüssel wechseln. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, der EU-Beamte, ist dafür im Gespräch. Und Ursula von der Leyen, die in Brüssel Geborene. Viele wünschen sich, dass Altmaier in Berlin bleibt.

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FOTO: DPA Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen beim Besuch des Bundeswehr­stützpunkt­es im afghanisch­en Masar-i-Scharif.

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