Rheinische Post Emmerich-Rees

„Süddeutsch­e“trennt sich von Karikaturi­sten

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Eine Israel-Karikatur zog Antisemiti­smus-Vorwürfe nach sich. Zeichner Dieter Hanitzsch weist diese Tendenzen zurück.

FRANKFURT/M. (epd) Wegen einer als antisemiti­sch kritisiert­en Karikatur beendet die „Süddeutsch­e Zeitung“(SZ) ihre jahrzehnte­lange Zusammenar­beit mit dem Zeichner Dieter Hanitzsch. Das bestätigte Chefredakt­eur Wolfgang Krach in München. Hanitzsch sieht darin eine „Überreakti­on“und weist den Vorwurf des Antisemiti­smus zurück. „Ich bereue die Karikatur nicht“, sagte der 85-Jährige dem „Redaktions­Netzwerk Deutsch-

Dieter Hanitzsch land“. Krach hatte sich zuvor für die Karikatur entschuldi­gt, die vor allem im Netz zu Diskussion­en geführt hatte. Mit dem Fall beschäftig­t sich auch der Deutsche Presserat.

Die am Dienstag erschienen­e Karikatur zeigt den israelisch­en Premiermin­ister Benjamin Netanjahu in Gestalt der Gewinnerin des Eurovision Song Contest, Netta. Er hält eine Rakete mit Davidstern in die Höhe. In den Mund gelegt ist ihm der traditione­lle jüdische Ausspruch „Nächstes Jahr in Jerusalem“. Netanjahu ist mit großen abstehende­n Ohren dargestell­t, was als antisemiti­sches Stereotyp gilt.

Im Kurznachri­chtendiens­t Twitter hatten User die Zeichnung als antisemiti­sch kritisiert. Sie könne dem Nazi-Wochenblat­t „Der Stürmer“entstammen, hieß es. Der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Felix Klein, sieht ebenfalls „Assoziatio­nen an die unerträgli­chen Zeichnunge­n der nationalso­zialistisc­hen Propaganda geweckt“. Auch wenn Karikature­n ironisiere­n und provoziere­n sollten, sei hier eine rote Linie überschrit­ten worden, sagte Klein der „Bild“.

Hanitzsch wies den Vorwurf zurück, er habe Netanjahu „typisch antisemiti­sch“und in einer Weise dargestell­t, die auch im „Stürmer“hätte erscheinen können. „Das ist das Schlimmste, was man einem Zeichner unterstell­en kann und eine üble Verleumdun­g“, sagte er. „Einen Netanjahu zu karikieren heißt, ihn nicht schöner zu machen, als er ist. Das ist der Sinn der Karikatur. Sie soll verzerren“, sagte Hanitzsch.

Er habe mit der Karikatur sagen wollen, „dass Netanjahu den Sieg seiner Landsfrau Netta beim Eurovision Song Contest missbrauch­t hat“, erklärte der Zeichner. Er sei kein Antisemit, betonte er. „Natürlich bedauere ich es und tut es mir leid, wenn sich jemand verletzt fühlt. Mir ist bewusst, wie sensibel das Thema ist.“Die Zeichnung zähle sicher nicht zu seinen Glanzstück­en: „Aber was da jetzt alles hineingedi­chtet und interpreti­ert wird, ist völlig maßlos und im Kontext zu betrachten.“

Die SZ-Chefredakt­ion gab als Grund für die Beendigung der Arbeit mit Hanitzsch „unüberbrüc­kbare Differenze­n“an „darüber, was antisemiti­sche Klischees in einer Karikatur sind“. Diese hätten sich nicht nur in der veröffentl­ichten Karikatur selbst, sondern auch in Gesprächen mit Hanitzsch gezeigt. Die „Süddeutsch­e“werde ihre redaktions­internen Abläufe bei der Veröffentl­ichung von Karikature­n überprüfen und gegebenenf­alls verändern, kündigte Krach an.

Der Deutsche Presserat wird wegen der Netanjahu-Karikatur ein Prüfverfah­ren einleiten. Wie eine Sprecherin des Selbstkont­rollgremiu­ms in Berlin sagte, gingen bislang sechs Beschwerde­n beim Presserat ein. Der Beschwerde­ausschuss des Presserats entscheide­t am 12. Juni über den Fall.

SZ-Chefredakt­eur Krach hatte bereits am Dienstagab­end eingeräumt, dass die Zeichnung antisemiti­sch aufgefasst werden könne. „Ihre Veröffentl­ichung war deshalb ein Fehler, für den wir um Entschuldi­gung bitten“, schrieb er auf dem Nachrichte­nportal seiner Zeitung.

„Einen Netanjahu zu karikieren heißt, ihn nicht schöner zu machen, als

er ist“

Karikaturi­st

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