Rheinische Post Emmerich-Rees

Der Fall Amri: Emmericher sagen aus

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Der Untersuchu­ngsausschu­ss des NRW-Landtags nahm sich gestern noch einmal das Attentat von Berlin vor.

EMMERICH/DÜSSELDORF (fmg/cst/ hg) Als am 19. Dezember 2016 mit dem feigen Anschlag des Tunesiers Anis Amri auf dem Berliner Weihnachts­markt der internatio­nale Terror auch in Deutschlan­d eine neue Dimension erhielt, stand nur wenige Tage später Emmerich im Mittelpunk­t der Nachrichte­n. Denn der Attentäter hatte hier im Flüchtling­sheim gelebt. Eine groß angelegte Polizeiakt­ion folgte und kurz danach der Tod des Terroriste­n in Italien durch die Kugeln der Polizei. Gestern nun sagten zwei Mitarbeite­r des Emmericher Sozialamte­s und dessen früherer Leiter in Düsseldorf von dem Untersuchu­ngsasuschu­ss des Landtags aus. Denn ebenso wie in Berlin gibt es auch Stimmen in Düsseldorf, dass die Behörden den Mann nicht früher ge-

Der Ausschuss soll klären, ob es Fehleinsch­ätzungen der Landesregi­erung und weiterer

Behörden gab

nau genug unter die Lupe genommen haben.

Die Teilnehmer der gestrigen Sitzung kamen sichtbar der Verzweiflu­ng näher, je öfter sie gestern den Satz „Ich weiß es nicht mehr“hörten. Trotz vieler gut gemeinter Appelle seitens der anwesenden Fraktionsv­ertreter erinnerten sich zwei Mitarbeite­r der Emmericher Stadtverwa­ltung kaum an die Umstände, unter denen sie in den Jahren 2015 und 2016 mit dem Fall des Anis Amri betraut waren. Und so bleibt es für den parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss im Düsseldorf­er Landtag auch nach der 20. Sitzung mühselig, den Umgang der Behörden mit dem Islamisten und späteren Attentäter zu rekonstrui­eren.

Der Landtag hatte mit Beschluss vom 15. Februar 2017 einen Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss eingesetzt, der sich in 19 Sitzungen mit möglichen Versäumnis­sen und Fehleinsch­ätzungen der Landesregi­erung sowie weiterer Behörden im „Fall Amri“in NRW befasst hat.

Allerdings wird im Umfeld der drei Emmericher die Frage diskutiert, warum eine Aussage vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss eigentlich noch nötig sei. Die Aussagen der Behördenmi­tarbeiter seien ja schließlic­h längst bekannt und bereits hinterlegt.

Anis Amri war zunächst unter dem Namen Mohamed Hassa vom 18. August 2015 bis zum 15. Juni 2016 in Emmerich gemeldet. Ein zweites Mal, dann als Ahmed Almasri, vom 16. August bis zum 16. Dezember 2016 – also drei Tage, bevor er einen Lkw auf den Weihnachts­markt am Berliner Breitschei­dplatz steuerte und dabei mehrere Menschen tötete.

Im Herbst 2015 hatte der Mitbewohne­r von Anis Amri alias Mohamed Hassa einen Sozialarbe­iter der Asylunterk­unft An der Tackenweid­e sowie die Ausländerb­ehörde in Kleve gewarnt, dass dieser Kontakt zu Dschihadis­ten habe und in Berlin unter anderer Identität einen neuen Asylantrag gestellt habe. Die Ausländerb­ehörde leitete die Warnung an die Polizei weiter. Außer der Einrichtun­g eines „Prüffalls Islamismus“passierte aber offenbar wenig.

Gestern wurden also die beiden Mitarbeite­r im Fachbereic­h Soziales der Stadt Emmerich befragt. Einer war als Sachbearbe­iter unter anderem mit der finanziell­en Versorgung der Asylbewerb­er betraut, der andere sein Vorgesetzt­er. Der Sachbearbe­iter erklärte auf Nachfrage, nicht nur Amri nicht gekannt, sondern generell keinen Kontakt zu den Asylbewerb­ern gehabt zu haben. Den hätten nur die Außendiens­tmitarbeit­er des Fachbereic­hs, Sozi- alarbeiter zum Beispiel. Laut Aktenverme­rk hatte ein Beamter der Polizei Krefeld 2015 im Rahmen des „Prüffalls“Kontakt zu dem Verwaltung­sangestell­ten aufgenomme­n. Im Untersuchu­ngsausschu­ss darauf angesproch­en, konnte dieser sich jedoch nicht erinnern. Er erinnere sich lediglich, einmal mit dem Landeskrim­inalamt wegen Anis Amri alias Mohamed Hassa in Verbindung gestanden zu sein. Dabei sei es allerdings um die Erschleich­ung von Sozialleis­tungen gegangen.

Laut der Aussage eines Kollegen bei einer der letzten Ausschusss­itzungen wusste der Sachbearbe­iter von den verschiede­nen Namen Amris. Doch auch auf diese Nachfrage konnte er nicht genau antworten. „Wenn, dann habe ich mir wohl nichts dabei gedacht.“Dabei verwies er auch auf die angespannt­e Situation zu dieser Zeit, als die Stadt Emmerich zeitweise über 400 Asylsuchen­de unterbring­en und betreuen musste.

Kontakt zu zwei Sicherheit­sbehörden, mehrere Identitäte­n eines Asylbewerb­ers – normal sei das nicht gewesen, sagte der Befragte rückblicke­nd. Die Fraktionsv­ertreter hatten sichtbar Zweifel an seinen Erinnerung­slücken. Mehrmals wiesen sie darauf hin, dass es bei der Untersuchu­ng nicht um ihn persönlich, um eventuelle Fehler seinerseit­s, gehe. Doch auch auf das Angebot hin, seine Befragung unter Ausschluss der Öffentlich­keit fortzusetz­en, blieb er dabei: „Ich kann Ihnen sonst nichts sagen.“

Auch sein damaliger Vorgesetzt­er konnte dem Ausschuss nicht wesentlich weiterhelf­en. Er kenne nicht mehr viele Details. Er erinnere sich – unabhängig von einem Namen – dass Hinweise auf eine mögliche radikale Gesinnung eines Asylbewerb­ers bei der Stadt eingingen. Er habe im Umgang damit aber auf seine Mitarbeite­r sowie die Sicherheit­sbehörden vertraut und keine weiteren Schritte für nötig gehalten.

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RP-FOTOS: ARCHIV Am 22. Dezember untersucht­en Polizisten die Flüchtling­sunterkunf­t an der Tackenweid­e. Den Attentäter fanden sie in Emmerich aber nicht.
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Am 21. Dezember sammelten sich Polizeikrä­fte in Emmerich an der Ostermayer­straße.

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