Rheinische Post Emmerich-Rees

Kanzlerin wirbt für Umbau der Währungsun­ion

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BERLIN (dpa) Bundeskanz­lerin Angela Merkel wirbt wenige Wochen vor dem nächsten EU-Gipfel für eine tiefgreife­nde Stärkung der Europäisch­en Währungsun­ion. „Für ein erfolgreic­hes Wirtschaft­en müssen wir den Euro nachhaltig stabilisie­ren. Die bisherigen Instrument­e reichen noch nicht aus“, sagte in einem Interview der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“. Neben der Vollendung der seit Jahren im Aufbau befindlich­en Bankenunio­n und einem gemeinsame­n „Investivha­ushalt“nannte Merkel vor allem die Gründung eines Europäisch­en Währungsfo­nds (EWF) als Ziel.

Die Gelegenhei­t für eine Stärkung der Währungsun­ion – knapp 20 Jahre nach deren Start – ist aus Merkels Sicht günstig: „Immerhin haben wir jetzt in der Eurozone eine Situation, wie es sie lange nicht gab“, sagte sie. „In allen Staaten wächst die Wirtschaft und nimmt die Beschäftig­ung zu.“Allerdings mahnte die Kanzlerin: „Solidaritä­t unter Europartne­rn darf nie in eine Schuldenun­ion münden, sondern muss Hilfe zur Selbsthilf­e sein.“

Über massive Reformen der Eurozone wird schon länger diskutiert – spätestens, seit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron im Sep- tember in der Pariser Eliteunive­rsität Sorbonne einen radikalen Umbau der EU bis 2024 vorschlug, inklusive eigenem Haushalt und Finanzmini­ster für die Eurozone. In Macrons Fahrwasser hatte EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker im Dezember Pläne präsentier­t, wie die Währungsun­ion mit 19 Mitgliedsl­ändern besser gegen Krisen gewappnet werden soll.

Juncker schwebt ebenso ein europäisch­er Fonds nach dem Vorbild des IWF vor – als Pendant zum Internatio­nalen Währungsfo­nds IWF in Washington, der in der EuroSchuld­enkrise immer wieder an Hilfsprogr­ammen der Europartne­r beteiligt war.

Auch Merkel macht sich nun für einen solchen Fonds stark, auf Basis des 2012 auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkr­ise gegründete­n Rettungsfo­nds ESM. „Aus dem Europäisch­en Stabilisie­rungsmecha­nismus ESM soll ein Europäisch­er Währungsfo­nds werden“, sagte sie. „Wenn die gesamte Eurozone in Gefahr ist, muss der EWF wie bisher langfristi­ge Kredite vergeben können, um Ländern zu helfen.“

Neben Krediten, die auf 30 Jahre angelegt und an strikte Auflagen gekoppelt sind, könne sie sich zusätz- lich die Möglichkei­t kürzerer Kreditlini­en vorstellen. „Damit könnten wir Ländern, die durch äußere Umstände in Schwierigk­eiten geraten, unter die Arme greifen.“Schließlic­h solle der EWF aus eigener Kompetenz die Schuldentr­agfähigkei­t eines Landes beurteilen – „und über geeignete Instrument­e verfügen, diese, falls notwendig, auch wieder herzustell­en“.

In einem wichtigen Punkt unterschei­det sich Merkels EWF-Linie von Junckers Vorschläge­n: Nach Wunsch der EU-Kommission soll der neue Währungsfo­nds ins EUGefüge eingeglied­ert werden, wo- mit er sich unter der Kontrolle des Europaparl­amentes befände. Dagegen sagte Merkel: „Der EWF soll zwischenst­aatlich organisier­t sein – mit den entspreche­nden Rechten der nationalen Parlamente.“

Zur Milderung großer wirtschaft­licher Unterschie­de in der Eurozone schlägt Merkel einen „Investivha­ushalt“mit einem bescheiden­en Umfang vor. Merkel sprach von einem „unteren zweistelli­gen Milliarden­bereich“und einer schrittwei­sen Einführung. Sie ließ offen, ob dieser Haushalt zum EU-Budget gehören oder bei den Finanzmini­stern der Eurozone angesiedel­t sein soll.

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