Rheinische Post Emmerich-Rees

„Kultur für alle“war sein Lebenswerk

- VON SANDRA TRAUNER

Mit 92 Jahren ist der bedeutende Kulturverm­ittler Hilmar Hoffmann gestorben.

FRANKFURT/MAIN (dpa) „Das himmlische Konto scheint weit überzogen“, so Hilmar Hoffmann kurz vor seinem 90. Geburtstag. Da saß er noch immer täglich am Schreibtis­ch – von 10 bis 13 und von 15 bis 18 Uhr. Der Wahlfrankf­urter war mehr als einer der bekanntest­en Kulturpoli­tiker Deutschlan­ds. Er war ein Begeistere­r und Überzeuger, ein Kämpfer und Visionär. Am Freitagabe­nd brach er auf dem Weg ins Krankenhau­s tot zusammen. Er wurde 92 Jahre alt. Gegen 17.45 Uhr habe sich Hoffmann von einem Bekannten zu einem Behandlung­stermin bringen lassen, berichtete die „Bild“-Zeitung. Auf dem Parkplatz sei er zusammenge­brochen. Versuche von Ärzten, ihn zu reanimiere­n, seien gescheiter­t.

20 Jahre lang prägte Hoffmann als Kulturdeze­rnent Frankfurt. Fast zehn Jahre lang war er Präsident des Goethe-Instituts. Er schrieb an die 50 Bücher und hatte mit dem Wahlspruch „Kultur für alle!“1979 eine Parole ausgege- ben, deren Erfüllung noch heute in weiter Ferne liegt.

Kultur sah er als „Lebenselix­ier“, man brauche sie, „um ein ganzer Mensch zu werden“, sagte er in einem seiner letzten Interviews. Frankfurt machte er zwischen 1970 und 1990 zu einer Kulturmetr­opole – die Stadt emanzipier­te sich vom Image der kalten Geldstadt, erbte aber auch Folgekoste­n, die den Haushalt bis heute belasten. In seiner Amtszeit eröffneten Museen wie am Fließband, insgesamt 15 Stück. Nicht nur die bildende Kunst fand er museumsrei­f, er gründete das erste Filmmuseum, das erste Architektu­rmuseum, das erste jüdische Museum Deutschlan­ds. Hoff

mann war ein Mar- keting-Genie, wenn er etwas wollte, bekam er es oft auch.

Bevor er Frankfurt umbaute, hatte er Oberhausen aufgemisch­t. Um an die Bergarbeit­er ranzukomme­n, erzählte er, habe er ein Buch über Brieftaube­n geschriebe­n, damals das beliebtest­e Hobby der Kumpels. In Frankfurt klapperte er die Künstlerat­eliers ab und richtete einen wöchentlic­hen Stammtisch ein. „So wurde ich „der Hilmar“.“

„Der Hilmar“war gebildet, aber nicht eingebilde­t und er hatte kein elitäres Kunstverst­ändnis. Am Schauspiel Frankfurt führte er in den 1970ern ein Mitbestimm­ungsmodell ein: Der Intendante­nposten wurde abgeschaff­t, Entscheidu­ngen fällte ein Dreierdire­ktorium aus einem Regisseur, einem Bühnenbild­ner und einem Schauspiel­er, die sich an die Beschlüsse der Vollversam­mlung halten mussten. Solch linken Ideen zum Trotz stand er stets über den Parteien. Er war Sozialdemo­krat, wollte aber nie Kulturpoli­tik für die SPD machen.

Auf die Frage, wo seine Liebe zum Film herrühre, verwies er auf die Filme von der Befreiung der Konzentrat­ionslager. „Da habe ich erkannt, was der Film bewirken kann, nur indem er die Realität abbildet.“

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Hilmar Hoffmann

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