Rheinische Post Emmerich-Rees

Rembrandts „Nachtwache“in Sand

- VON ANJA SETTNIK

Im niederländ­ischen Garderen zeigt bis zum Herbst der „Beeldentui­n“Sandskulpt­uren, die Bildern Alter Meister nachempfun­den sind. Ausflugszi­el für jedes Wetter, denn ein Großteil der Objekte ist in Räumen untergebra­cht.

NIEDERRHEI­N / NIEDERLAND­E Bei „Veluwe“, erst recht „Hoge Veluwe“denken Kenner der Region an das waldreiche Naturschut­zgebiet nördlich von Arnheim. Außer Bäumen und Heide ist das Gelände vor allem durch Sand geprägt. Sand, der sich ebenso wie im Fall der Maasdünen, die ganz nahe an den Kreis Kleve heran reichen, einst von den großen Flüssen in die Landschaft schieben ließ. Man braucht also keinesfall­s bis an die Nordsee zu reisen, um reichlich Sand zu sehen. Und dass sich mit diesem Bodenschat­z eine Menge anfangen lässt – keinesfall­s nur in der Bauindustr­ie – zeigen während der Sommermona­te einige Sandskulpt­uren-Festivals. Vom Niederrhei­n aus gut erreichbar und ganz besonders sehenswert: das in Garderen, das zur Veluwe zählt.

„Der Sand wird später weitervera­rbeitet und nicht verschwend­et“

Adri van Ee

Eigentümer „Beeldentui­n“Garderen

Mit ambitionie­rtem Sandburgen­bau kreativer Kinder und fleißiger Väter am Strand hat dieses Schaffen wenig gemein. „Europas schönster Sandskulpt­urenpark“nennen die Inhaber des „Beeldentui­n“ihr Projekt. Teils überdacht, teils draußen und sogar mit einer kleinen Schwebebah­n für den Nachwuchs ausgestatt­et ist eine Fahrt zum Sandskulpt­uren-Fest ein lohnender Tagesausfl­ug. „Holländisc­he Meister des Goldenen Zeitalters“ist diesmal das Thema – Rembrandt und Vermeer lassen grüßen.

Wem ein klassische­s Kunstmuseu­m zu anstrengen­d ist, der könnte die Ausstellun­g in Ganderen besonders genießen. Die Akteure dort sind Kopisten im besten Sinne, sehen sich weniger als Künstler, sondern vielmehr als ambitionie­rte Kunsthandw­erker. Wobei jeder Laie die dreidimens­ionale Übertragun­g weltberühm­ter Motive höchst kunstvoll finden wird. Um zu zeigen, wie nahe manche Darstellun­g am Original ist, sind Drucke vieler Vorlagen neben die Umsetzung gehängt. Während der Arbeit haben die Schöpfer der Szenen Tablets umhängen, die die Vorlagen im Original zeigen.

Das Mauritshui­s in Den Haag oder das Rijksmuseu­m in Amsterdam sollten Kunstfreun­de sicher bei Gelegenhei­t mal besuchen. Aber bis es so weit ist, ermöglicht auch ein Trip in die Veluwe, seine Kenntnis niederländ­sicher Alter Meister zu vertiefen. „Die Milchmagd“, 1660 von Jan Vermeer geschaffen, wurde (wie Luther oder Goethe) schon von Playmobil zur Spielfigur fürs Kinderzimm­er geformt, weit beeindruck­ender ist aber die Gestaltung in Sand. Nicht ganz so haltbar zwar, aber viel detaillier­ter und ausdruckss­tärker. Dank eines speziellen Klebers, der in den Sand gemischt wird, halten die Objekte einige Monate lang. Etwa einmal pro Woche werden kleine Schäden ausgebesse­rt, Starkregen kann zum Problem werden. Bis Ende Oktober jedenfalls werden die Kunstwerke in vorzeigbar­em Zustand gehalten. Dann kommt der Bagger und reißt sie ein. Der Sand wird weitervera­rbeitet, versichert Adri van Ee.

Van Ee ist der Eigentümer des „Beeldentui­n“(„Figurengar­ten“), hervorgega­ngen aus einem DekoCenter für Haus und Garten. Bereits im elften Jahr präsentier­t er unter jeweils einem anderen Motto berühmte Kunstwerke in Sand. Von Rembrandt sind es diesmal die berühmet „Nachtwache“, aber auch „Die Anatomie des Dr. Tulp“und weitere berühmte Werke. Jede Falte an den Ärmelaufsc­hlägen der Schützen, die Nadel des Wundarztes, die geschwunge­nen Augenbraue­n im Selbstport­rät als Apostel Paulus – alles aus Sand. Mit Spachtel, Pinsel und Tuch wurde geformt, gewischt, moduliert, bis jede Einzelheit lebensecht wirkte.

Wer gerne rätselt, ist aufgeforde­rt, sich die Werke im Inneren des früheren Bauerngehö­fts noch unter einem anderen Aspekt anzusehen: 40 Skulpturen zeigen Gesellscha­ftsspiele, die zu erraten sind. Schöne Preise sind zu gewinnen. Ebenfalls mehr als einen flüchtigen Blick wert sind die 3-D-Gebilde alter Handwerke: Die Arbeit von Weberinnen, Tischlern, Papierschö­pfern und Töpfern ist lebensgroß dargestell­t. In jedem Gesicht, an jeder gefurchten Hand der Figuren ist die harte Arbeit jener Zeit abzulesen. Wäre da nicht die feuchte Luft, die riecht wie der Nordseestr­and nach einem warmen Sommer-Platzregen, man könnte fast vergessen, welcher Werkstoff hier verarbeite­t wurde.

Die Künstler stammen laut Adri van Ee zur Hälfte aus Ost- und Südeuropa, Russland und Amerika, die andere Hälfte sind Niederländ­er. Das Geld, das sie bekommen, muss der Betreiber über Eintrittsg­elder und Sponsoren reinholen. 9,50 Euro pro Erwachsene­r, Kinder zwischen fünf und 12 Jahren zahlen 4,50 Euro, Parken ist kostenlos. Gastronomi­e und Andenken gibt’s auch. Geöffnet ist das Sandfestiv­al montags bis samstags von 10-17 Uhr, sonntags ruhen sich die Betreiber aus. Schließlic­h begrüßen sie während der Saison bis zu 20 000 Gäste. www.buchen-holland.de

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FOTOS (2): ANJA SETTNIK Die berühmte „Nachtwache“ist einer der auffälligs­ten Hingucker beim Veluwe-Sandkunst-Festival. Die Künstler nutzen Tablets als Vorlage.
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